(11.3.2019) Bei Analogabrechnungen muss der Arzt neben der konreten Behandlungsmaßnahme und der analog herangezogenen Ziffer der GOÄ auch die allgemeine Beschreibung der Leistung laut GOÄ angeben. Ansonsten ist die Rechnung nicht überprüfbar und daher nicht fällig (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 5.3.2019 - 1 A 998/17).

Augenoperation wegen grauem StarDer Fall:

Der am 1947 geborene Kläger ist beihilfeberechtigt. Ende 2015 unterzog er sich einer Katarakt-Operation in der Augenpraxisklinik des Prof. Dr. G. in T. , die unter Einsatz eines Femtosekundenlasers durchgeführt wurde. Prof. Dr. G. hatte zuvor bei dem Kläger Myopie (Kurzsichtigkeit) auf dem rechten Auge, Hyperopie (Weitsichtigkeit) auf dem linken Auge sowie Presbyopie (altersbedingte Weitsichtigkeit) und Pseudophakie (vorgetäuschte Linsenerkrankung) auf dem rechten Auge diagnostiziert. Die Operation rechnete Prof. Dr. G. unter dem 28. Dezember 2015 in Höhe von 1.720,57 € ab. Mit weiterer Rechnung vom selben Tage – die allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - über 1.392,20 € machte Prof. Dr. G. einen Zuschlag für eine femtosekundenlaser-gesteuerte Operation analog Nr. 5855 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GV/GOÄ) in Höhe des 2,5-fachen Gebührensatzes zuzüglich Materialkosten geltend. In der Rechnung wurtde die Leistung wie folgt beschrieben: 

"Keratotomie/ Kapsulotomie, analog Nr. 5855 GOÄ"

Die Beihilfestelle lehnte die Bezahlung dieser Leistung als nicht beihilfefähig ab.

Auch das vom klagenden Patienten angerufene Verwaltungsgericht wies die Rechnung zurück, weil diese nicht die formellen Anforderungen des § 12 Abs. 4 GOÄ erfülle: In diesen Fällen einer so genannten „Analogabrechnung“ sei in formeller Hinsicht zu beachten, dass die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich beschrieben und mit dem Hinweis „entsprechend“ sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung versehen werden müsse (§ 12 Abs. 4 GOÄ). Fehle es an einem dieser Merkmale, folge aus § 12 Abs. 1 GOÄ, dass die Rechnung (schon) nicht fällig sei, weil es sich nicht mehr um eine „dieser Verordnung entsprechende Rechnung“ im Sinne der Vorschrift mehr handele. Fehle es aber an der Fälligkeit, stehe dem Arzt das geforderte Honorar von Rechts wegen nicht zu und die abgerechnete ärztliche Leistung sei insoweit – bezogen auf die jeweilige Nr. aus dem Gebührenverzeichnis – nicht beihilfefähig.

Der unterlegene Kläger beantragte die Zulassung der Berufung.

Die Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht wies diesen Antrag als unbegründet zurück und bestätigte dabei die Ausführungen des Verwaltungsgerichts.

Denn die Rechnung entspricht nicht den formellen Anforderungen des § 12 Abs. 4 GOÄ: In der Rechnung wurde die tatsächlich erbrachte Leistung beschrieben („Keratotomie/ Kapsulotomie“) und die entsprechend angesetzte Gebührennummer (5855) benannt, nicht jedoch die Leistungsbeschreibung dieser als vergleichbar angesehenen Gebührenziffern wiedergegeben. Indem der Behandler die Umschreibung der Leistungen nach Nr. 5855 GV/GOÄ, nämlich „Intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen“, unterlassen hat, war dem Kläger eine solche Überprüfung der Vergleichbarkeit der in Rechnung gestellten Leistungen nicht möglich.

(§ 12 Abs. 4 GOÄ lautet:

Wird eine Leistung nach § 6 Abs. 2 berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis „„entsprechend““ sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.)

Ob die Femtoisekundenlaserbehandlung beihilfefähig ist hat das OVG nicht entschieden, weil eine Beihilfefähigkeit bereits an einer ordnungsgemäßen ärztliche Abrechnung scheiterte.

Praxisanmerkung 1:

Richtig müsste es heißen:

„Keratotomie/Kapsulotomie (1) – Analogbewertung 'entsprechend Ziffer 5855 GOÄ (2) – Intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen' (3)“

( (1) Beschreibung der individuellen Behandlung) -  (2) Hinweis auf Analogbewertung - Benennung der GOÄ-Ziffer - (3) Wiederholung der Leistungsbeschreibung laut GOÄ)

Das OVG wies darauf hin, dass eine neue, korrigierte Rechnung in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden kann, weil Gegenstand des Gerichtsverfahrens die (alte) Rechnung ist. Der Patient kann aber - gestützt auf die (neue) Rechnung - einen neuen Beihilfeantrag stellen.

Praxisanmerkung 2:

Nach Möglichkeiten sollten Patienten in strittigen Fällen die Arztrechnung nicht an den Arzt bezahlen und abwarten, wie das Erstattungsanspruchverfahren (private Krankenversicherung) oder Beihilfeverharen verläuft. Wird die Leistung dann von Beihilfe oder Krankenversicherung nicht bezahlt, kann der Patient mit den Argumenten der Versicherung bzw. Beihilfe die Bezahlung gegenüber dem Arzt verweigern. Hat dagegen der Patient den Arzt bezahlt und erhält dann keine Beihilfe bzw. Erstattung, so bleibt er in der Regel auf den Behandlungskosten sitzen, obgleich er wirtschaftlich gesehen das schwächste Glied der Kette ist.

Patienten, die auf Nummer Sicher gehen wollen, lassen sich von dem Arzt vor Beginn der konkreten Behandlung eine Art Kostenvoranschlag geben und reichen diesen schriftlich bei der Beihilfestelle bzw. Krankenversicherung ein und bitten um Stellungnahme, ob diese Leistungen erstattet werden. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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