(27.4.2019) Ärzte, die noch Berufsanfänger sind, können und müssen operieren, um Erfahrungen zu sammeln. Der ausbildende Arzt muss den Anfänger aber überwachen. Bei einer Herzkatheteruntersuchung reicht es dafür aus, dass der Oberarzt den Anfänger von einem Nebenraum mittels Monitor überwacht. Ein Behandlungsfehler ist dann nicht gegeben (OLG Köln, Urteil vom 9.1.2019 - 5 U 25/18). Das Gericht musste auch klären, ob die Patientin hinreichend über die Risiken der Untersuchung aufgeklärt wurde. 

während der OperationDer Fall: 

Wegen Unwohlseins nach sportlicher Betätigung wurde die spätere Klägerin von ihrem Hausarzt zu einem Kardiologen überwiesen. Dieser führte ein Belastungs-EKG durch und verweis zur weiteren Diagnostik an die beklsgte Klinik  (Auftrag: invasive Diagnostik zum Ausschluss einer stenosierenden koronaren Herzkrankheit bei progredienter Angina-Pectoris und Belastungsdyspnoe der CCS-Klasse III sowie von ergonomisch induzierten ventrikulären Arrythmien).

In der Klinik führte der Beklagte zu 2 ein Beratungsgespräch mit der Klägerin über den geplanten Eingriff, sowie ein Aufklärungsgespräch. In dem von der Klägerin unterzeichneten Diomed-Aufklärungsbogen wird u.a. auf das Risiko einer Verletzung einer Herzkranzarterie mit nachfolgendem Herzinfarkt und notfallmäßiger Bypass-Operation hingewiesen. Handschriftlich ist dort vermerkt: mögliche Perforation, Nachoperationen, Herzrhythmusstörungen oder Tod.

Dann erfolgte eine Herzkatheter-Untersuchung durch die Beklagte zu 2, die sich im vierten Jahr der  Facharztausbildung befand. Ob sich der zuständige Oberarzt und Facharzt für Kardiologie in einem abgetrennten Bereich des Katheterraums (dem sog. Monitorraum) aufhielt oder sich nur (als sog. allgemeiner Hintergrund) im Krankenhausbereich aufhielt, ist zwischen den Parteien streitig.

Während der Untersuchung riss ein Herzkranzgefäß. Der Oberarzt kam hinzu und versuchte, den Riss zu flicken, musste aber schließlich die Klägerin an eine Herzchirurgie verlegen, wo sie operiert wurde. Danach musste sie eine Rehabilitation durchführen.

Die Entscheidung:

Das Gericht verneinte eine Haftung der Klinik für die Anfängeroperation.

Die Wahrung fachärztlichen Standards setzt nicht zwingend voraus, dass der Eingriff von einem Arzt durchgeführt wird, der die Facharztausbildung vollständig und erfolgreich absolviert hat. Ein Assistenzarzt kann und muss mit fortschreitender praktischer Erfahrung selbständig Behandlungsmaßnahmen vornehmen. Dies gilt für Herzkatheter-Untersuchungen ebenso wie für sonstige Eingriffe, insbesondere Anfängeroperationen.

Der Anfänger muss aber von dem Facharzt überwacht werden, der jederzeit eingriffsbereit sein muß. Ist bei der Untersuchung ein Oberarzt anwesend, der der Untersuchung von einem angrenzenden Monitorraum aus folgt, so ist diesem Erfordernis genügt. Davon dass der Oberarzt in dem Nebenraum anwesend war, hat sich das Gericht nach Einvernahme mehrerer Zeugen überzeugt. 

Auch einen Aufklärunsgfehler verneinte das Gericht:

"Die Kammer ist nach umfassender Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 2 sowie unter Würdigung der Dokumentation zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin über die Risiken des Eingriffs vollständig und angemessen aufgeklärt wurde. Die Aussage der Beklagten zu 2, wonach die sich hier verwirklichenden Risiken ausdrücklich gegenüber der Klägerin angesprochen wurden, steht in Einklang mit den Eintragungen in dem Diomed-Aufklärungsbogen, wo insbesondere Risiken wie "Perforation, Not-OP, Herzrhythmusstörungen, Tod" (Anmerkung: handschriftlich) aufgeführt sind. Solche individuellen Eintragungen stellen ein überaus starkes Indiz dafür dar, dass die mündliche Aufklärung insoweit tatsächlich erfolgt ist. Zweifel daran, dass die Eintragungen im Zusammenhang mit dem Aufklärungsgespräch erfolgt sind, bestehen nicht und werden auch nicht konkret vorgetragen

Praxisanmerkung:

Glück gehabt kann man der Klinik da nur sagen, dass es gelungen ist, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Oberarzt sich während der Untersuchung im Nebenraum aufhielt. Unter der Hand haben mir mehrere Oberärzte geklagt, dass sie schon lange nicht mehr richtig ausbilden können. Sie hätten schlicht keine Zeit mehr dafür. Die Assistenzärzte seien "sich selbst überlassen". Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass regelmäßig eine Überwachung ausfällt oder nur sehr kursorisch erfolgen kann. Wenn der Oberarzt Zeit gehabt hätte, im Nebenraum zu weilen, hätte er ja auch am Tisch sein können (wäre dann aber im OP-Protokoll benannt worden). Tatsächlich wird er wohl eher, wie die Klägerin im Detail vorgetragen hat, im Haus unterwegs gewesen sein.    

Es besteht im Übrigen keine Pflicht des Arztes, den Patienten darauf hinzuweisen, dass die Operation bzw. Untersuchung durch einen Berufsanfänger bzw. noch nicht als Facharzt ausgebildeten Arzt erfolgen wird. Die mit einer sog. Anfängeroperation verbundenen Fragen sind grundsätzlich den Behandlungsfehlern (und nicht den Aufklärungsmängeln) zuzuordnen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17. Januar 2018 – 5 U 861/17 –, Rn. 35, juris)). 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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