(25.6.2019) Voraussetzung eines Antrages auf ein selbständiges Beweisverfahren ist, dass der antragstellende Patient unter Bezeichnung gewisser Anhaltspunkte die Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers aufstellt. Der Tatsachenvortrag des Patienten für eine ärztliche Haftung im Rechtsstreit kann sich also nicht darauf beschränken, eine ärztliche Behandlungsmaßnahme und eine damit in Zusammenhang gestellte Gesundheitsbeeinträchtigung zu benennen, wenn er nicht jedenfalls Anhaltspunkte dafür nennt, an welcher Stelle der Behandlung der Arzt vom geschuldeten Standard abgewichen sein soll (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 12. Juni 2019 – 5 W 6/19). 

gebrochener FußDer Fall:

Der antragstellende Patient erlitt 2015 eine Quetschverletzung am rechten Vorfuß mit Zehenfrakturen. Kurze Zeit nach dem Unfall wurde er in die Klinik der Antragsgegnerin notfallmäßig aufgenommen und sofort operiert. Dann wurde er (unter Beigabe von Medikamenten und Verbandsmaterial) nach Hause entlassen, stellte sich aber alsbald mit einem deutlich verschlechterten Lokalbefund erneut bei der Antragsgegnerin vor. Er verließ das Krankenhaus kurz darauf auf ausdrückliches eigenes Verlangen und gegen ärztlichen Rat und wurde, nachdem er zwischenzeitlich zunächst in der berufsgenossenschaftlichen Unfallbehandlungsstelle vorgesprochen hatte, in das Klinikum Z. aufgenommen. Dort wurde die Amputation der großen Zehe des rechten Fußes nebst Fußballen durchgeführt.

Mit seinem beim Landgericht eingegangenen Antrag hat er die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens beantragt. 

Unter anderem begehrt er - sinngemäß - die sachverständige Feststellung, auf welcher Ursache das Erfordernis der Amputation der rechten Zehe im Klinikum Bremen Mitte beruhe, ob sich mit der Amputation ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht habe, welches in der Zeit der Behandlung in der Klinik des Antragsgegnerin voll beherrschbar und vermeidbar gewesen sei, ob die Antragsgegnerin in der Zeit ihrer Behandlung medizinisch gebotene Maßnahmen unterlassen habe - und wenn ja - welche, ob das Erfordernis der Amputation auf einen groben oder in der Summe mehrere ärztliche Behandlungsfehler der Antragsgegnerin zurückzuführen sei, worin diese Behandlungsfehler liegen und wie sie sich ausgewirkt haben und ob das Erfordernis der Amputation auf Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin zurückzuführen sei, die nicht durch ärztliches Personal, sondern durch pflegerische Maßnahmen ausgelöst worden seien.

Die Entscheidung:

Mangels notwendiger Benennung des vorgeworfenen Fehlers wies das Gericht den Antrag zurück. Der Antrag beinhalte eine unzulässige Ausforschung. 

Im Ergebnis sind die möglichen Ansprüche des Patienten nun verjährt. 

Praxisanmerkung:

Mit anderen Worten muss der Patient in irgendeiner Weise benennen, was der Arzt falsch gemacht haben soll z.B.:

  • Befunde übersehen
  • Befunde nicht erhoben
  • falsch behandelt, indem er ungeeignetes Medikamente einsetzte
  • falsche Schnittführung
  • Mißachtung hygienischer Standards
  • falsche Lagerung bei der Operation etc.

Weiterer Vortrag ist dann aber auch nicht erforderlich. Das weitere klärt das Gericht unter Einsatz eines medizinischen Sachverständigen. Allerdings ist es immer hilfreich, möglichst genau zu bezeichnen, was der Arzt falsch gemacht haben soll. So ist es sinnvoll, den Tag zu benennen, an dem der Fehler geschehen sein soll. Auch ist es sinnvoll, den Arzt konkret zu benennen.

Diese Grundsätze geltend auch im selbständigen Beweisermittlungsverfahren, auch wenn dies ein einem Arzthaftungsprozess "vorgeschaltetes" Verfahren zur Sicherung von Beweisen ist. Auch im selbständigen Beweisermittlungsverfahren muss der Gutachter wissen, wonach er suchen soll. Es gilt der Grundsatz, dass man den sichersten Weg geht, wenn man den Fall den Gerichten möglichst "mundfertig" vorlegt. 

Dies erfordert regelmäßig eine Anforderung und Auswertung der Behandlungsunterlagen. Daraus sollte sich zumindet eine ungefähre Vorstellung eines Fehlers herausarbeiten lassen. Dieser Fehler(verdacht) sollte dann benannt und zur Grundlage des Arzthaftungsverfahrens gemacht werden. Das ist die sog. Darlegungslast des Patienten. Später können auch noch - gestützt zum Beispiel auf Erkenntnisse, die man im Rahmen des Zivilprozesses gewonnen hat - noch weitere Vorwürfe erhoben werden. An die inhaltliche Ausgestaltung des Fehlervorwurfs stellt die Rechtsprechung dann keine großen Anforderungen mehr. Schließlich ist der Patient medizinischer Laie und man kann daher von ihm keine genauen Ausführungen verlangen. 

Jedenfalls zeigt der Fall, dass ein Arzthaftungsprozess auf Seiten des klagenden Patienten eine umfangreiche Vorbereitung erfordert. Aus diesem Grund arbeite ich mit Fachärzten zusammen, denen ich die Behandlungsunterlagen vor einer Klageerhebung zur Durchsicht vorlege und denen ich konrete Fragen stelle. Diese Ärzte können dann - soweit Fehler vorliegen - recht genau sagen, was aus ihrer Sicht wann falsch gemacht wurde. Dies erleichtert mir dann die Klagegestaltung erheblich. Denn ich bin schließlich auch nur medizinischer Laie. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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