(26.6.2019) Behandlungstätigkeiten des Zahnarztes außerhalb seiner Praxisräume sind nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig und abrechenbar. Das Ersatzverfahren zur privaten Abrechnung gegenüber gesetzlich versicherten Patienten ist ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. April 2019 – L 11 KA 11/18 B ER).

Honorarrückforderungen wegen unerlaubter Tätigkeit des Zahnarztes außerhalb seiner PraxisDer Fall:

Der Antragsteller ist als Fachzahnarzt für Oralchirurgie in T niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er behandelte u.a. Patienten in einer anderen Praxis, wobei er das Ersatzverfahren einsetzte. Mit Bescheid vom 06.03.2017 hob die Antragsgegnerin die ihm für konservierend-chirurgische Leistungen (KCH) der Quartale IV/2012 bis I/2014 erteilten Honorarbescheide in Höhe von 20.625,40 EUR auf und setzte das Honorar um den jeweiligen Quartalsrückforderungsbetrag reduziert neu fest und forderte die überzahlte Vergütung (2.139 EUR) zurück. Grund: Der Zahnarzt habe das Ersatzverfahren vertragswidrig angewendet, insbesondere habe er fehlerhafterweise die elektronischen Gesundheitskarten der Patienten nicht eingelesen. Er habe auch die zwingend erforderlichen Unterschriftenbelege für die über das Ersatzverfahren abgerechneten Behandlungsfälle nicht vorgelegt.

Dagegen ging der Zahnarzt im Eilverfahren vor, weil ihm ein unzumutbarer Nachteil drohe, wenn man diesen Fall erst in Hauptsacheverfahren entscheide.

Das Sozialgericht wies den Eilantrag als unbegründet zurück.

Die Honorarkürzung sei rechtmäßig. Die zahnärztliche Tätigkeit sei an den Praxissitz gebunden (§ 1 III BO Zahnärzte Nordrhein), weshalb dem Zahnarzt auch sein Einwand, er habe die Leistungen in der Praxis eines anderen Zahnarztes erbracht und deshalb auf das Ersatzverfahren zurückgegriffen, weil dort kein Lesegerät vorhanden war, nicht helfe. Außerhalb des eigenen Praxissitzes sei eine Tätigkeit nur zulässig, wenn der Arzt in Zweigpraxis tätig sei oder er spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in ausgelagerten Praxisräumen anbiete (§ 28 Zahnärzte-ZV). Beides sei nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Zahnarztes habe auch keine erlaubte Vertretung stattgefunden, weil der Zahnarzt in Anwesenheit des anderen Zahnarztes Patienten behandelt habe. Auch eine sog. Besuchsbehandlung liege nicht vor, weil die Patienten einen Vertragszahnarzt in der Nähe gehabt hätten (§ 7 II BMV-Z).

Der Zahnarzt legte Beschwerde ein.

Die Entscheidung:

Das Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts und wies die Beschwerde zurück. Dabei schloß es sich den Ausführungen des Sozialgerichts an.

Ergänzend führte es aus, es sei nicht erkennbar, dass der Rückforderungsbescheid offensichtlich rechtswidrig wäre. Der Zahnarzt habe die Patienten außerhalb seiner Praxisräume behandelt, obgleich keiner der drei Fälle gegeben sei (Hausbesuche, Notfallbehandlungen und Konsiliar- und Belegarzttätigkeiten), in denen dies ausnahmsweise erlaubt sei. Das LSG erklärte, es liege insbesondere keine konsiliarische Tätigkeit vor, denn diese sei „beratend“ und der Zahnarzt habe nicht lediglich den Vertragszahnarzt beraten, sondern vielmehr die Patienten behandelt.

Das LSG stellte klar, dass ein Zahnarzt, der an einem anderen Ort als in seiner Praxis behandeln will, eine Genehmigung der zuständigen KZV benötige (§ 24 III Satz 5 Zahnärzte-ZV). Und eine solche besitze der Zahnarzt nicht.

Schließlich wies das Gericht noch darauf hin, dass der Zahnarzt auch die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung im Eilverfahren nicht belegt habe. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens sei dem Zahnarzt nicht unzumutbar. Der Zahnarzt habe die von ihm behauptete Existenzgefährdung durch die Honorarkürzung von (lediglich) 2.139 EUR nicht belegt.

Praxisanmerkung:

Ein Ersatzverfahren darf nur in Ausnahmefällen angewendet werden:

1. Grundsatz:

Der Zahnarzt ist verpflichtet, die Daten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) bei jeder ersten Inanspruchnahme im Quartal in seine Praxissoftware einzulesen und die Identität des Versicherten anhand der aufgebrachten Daten auf der eGK abzugleichen. Die Überprüfung beschränkt sich auf offensichtliche Unstimmigkeiten zwischen der vorgelegten Karte und der Person hinsichtlich des Alters, des Geschlechts und eines aufgebrachten Lichtbildes.

2. Ausnahme: Ersatzverfahren

Kann der Versicherte bei der ersten Zahnarzt/Patientenbegegnung im Quartal keine gültige eGK bzw. einen Versicherungsnachweis über eine bestehende Mitgliedschaft vorlegen oder ergeben sich aus der Überprüfung der Identität des Versicherten offensichtliche Unstimmigkeiten, kann der Vertragszahnarzt das Ersatzverfahren anwenden und eine Privatvergütung für die Behandlung verlangen (vgl. § 8 Abs. 7 BMV-Z). Legt dann aber der Patient die eGK oder die Anspruchsberechtigung innerhalb einer Frist von 10 Tagen nach der ersten Inanspruchnahme vor, so muss der Zahnarzt diesem die entrichtete Privatvergütung zurückzahlen.

3. Achtung: besondere Dokumentationspflichten

Legt der Versicherte eine gültige eGK vor, deren Daten aus technischen Gründen jedoch nicht einlesbar sind (z. B. Karte oder Lesegerät defekt), müssen von der Praxis die folgenden Daten ins Praxisverwaltungssystem aufgenommen werden, sofern nicht zuvor beschriftete Vordrucke verwendet werden können:

• Name der Krankenkasse
• Krankenkassennummer
• Vor- und Zuname des Versicherten
• Geburtsdatum des Versicherten
• Krankenversichertennummer
• nach Möglichkeit die Postleitzahl des Patienten

Aus Gründen der Rechtssicherheit und insbesondere zur Absicherung ist eine Unterschrift des gesetzlich versicherten Patienten unabdingbar! Der Patient bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er bei der genannten Krankenkasse versichert ist. Es ist zu empfehlen, eine Kopie der eGK zu ziehen und diese zusammen mit dem Ersatzverfahren für 10 Jahre in der Praxis aufzubewahren.

  

Der Zahnarzt darf in folgenden Fällen ausnahmsweise Patienten außerhalb seiner Praxis behandeln:

Genehmigungsfrei:

• Hausbesuche
• Notfallbehandlungen
• Konsiliartätigkeiten

Genehmigungspflichtig:

• Belegarzttätigkeiten
• Praxisvertretungen (Urlaub, Krankheit, Schwangerschaft) von mehr als einer Woche Dauer
• Zweigpraxis
• Erbringung spezieller Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in ausgelagerten Praxisräumen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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