(2.1.2024) Ein Zulassungsausschuss darf bei der Auswahl des Bewerbers im Rahmen einer vertragspsychotherapeutischen Praxisnachbesetzung denjenigen Bewerber bevorzugen, der das gleiche Richtlinienverfahren ausübt wie der Praxisabgeber (Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 11.12.2023 - S 17 KA 306/23 ER). Wer die Nachbesetzung seiner psychotherapeutischen Praxis vorbereitet, sollte die Entscheidung bei seinen Planungen berücksichtigen.
(21.12.2023) Die Nachbesetzung einer Praxis (hier: hausärztliche Praxis) scheitert, wenn die Ärztin über fünf Quartale vor der Praxisabgabe nur eine Fallzahl von 18% des Fachgruppendurchschnitts erreichte. Und ist ein Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bereits wegen eines solchen fehlenden Praxissubstrates vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden, so kann die Ärztin auch keine Entschädigung nach § 103 Abs. 3a Satz 13 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2023 – L 5 KA 3221/22). Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit einer vorausschauenden Planung der Praxisabgabe.
(14.12.2023) Ein niedergelassener Arzt kann sich nicht durch seinen Weiterbildungsassistenten vertreten lassen. Der Arzt muss Rezepte für seine Patienten selber unterzeichnen und kann diese Aufgabe nicht an andere Ärzte delegieren. Dies gilt sowohl für Erstrezepte wie auch für Folgrerezepte. Anders ist dies allerdings bei Laborleistungen, da diese keine ärztlichen Behandlungsleistungen darstellen (Sozialgericht München, Urteil vom 23.11.2023 - S 38 KA 11/19).
(4.12.2023) Eine Klausel in einem Gesellschaftsvertrag einer Gemeinschaftspraxis, wonach ein Vertragsarztsitz beim Ausscheiden eines Arztes (Gesellschafter) in der Gesellschaft verbleibt und er an der Nachbesetzung der Zulassung mitwirken muss (sog. Sitzbindungsklausel), ist wirksam, wenn kein Wettbewerbsverbot besteht und der ausscheidende Arzt Anspruch auf eine Abfindung hat. Dies gilt auch dann, wenn der ausscheidende Arzt 20 Jahre in der Gemeinschaftspraxis tätig war (Landgericht Kaiserslautern, Beschluss vom 25.11.2023 - 2 O 712/22).
(30.11.2023) Die Betreuung von älteren Patienten in einem Pflegeheim kann eine Praxisbesonderheit der Arztpraxis darstellen; dies aber nur dann, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht. Der Vertragsarzt muss die Tatsachen, die diese Praxisbesonderheit begründen, schon im Verfahren vor den Prüfgremien so genau wie möglich angeben und belegen. Es reicht nicht aus, wenn er dies erst im Sozialgerichtsverfahren tut (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2023 - L 5 KA 3043/21).
(6.11.2023) Die Nachbesetzung eines Versorgungsauftrages (Zulassung) hat grundsätzlich zeitnah nach dem Freiwerden der Arztstelle zu erfolgen, auch in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Die Frist beträgt 6 Monate und kann auf begründeten Antrag des MVZ um weitere 6 Monate verlängert werden (z.B. bei Schwierigkeiten des MVZ, einen passenden anzustellenden Arzt zu finden). Weigert sich das zuständige Zulassungsgremium, diese Nachbesetzungsfrist weiter zu verlängern, so ist dies nicht zu beanstanden, die dagegen gerichtete Klage des MVZ wird daher als unbegründet abgewiesen (Sozialgericht München, Urteil vom 24.10.2023 - S 38 KA 261/21).
(2.11.2023) Ein Sicherstellungsassistent muss nicht über eine abgeschlossene Weiterbildung verfügen. Er muss damit auch nicht demselben Fachgebiet angehören wie der Vertragsarzt, dessen Tätigkeit er sicher stellt. Das Gericht verpflichtete daher die KV Bayern, dem antragstellenden Vertragsarzt (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) eine Genehmigung für die Beschäftigung der Sicherstellungsassistentin (Fachärztin für Chirurgie) zu erteilen (Sozialgericht München, Urteil vom 16.5.2023 - S 43 KA 98/22).
(26.10.2023) Ein Patient kann gestützt auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO von seinem Arzt/Krankenhaus verlangen, dass dieser ihm kostenfrei eine erste Kopie seiner gesamten Behandlungsunterlagen übersendet. Art. 15 Abs. 1 DSGVO geht dem Recht auf (kostenpflichtige) Kopie der Behandlungsunterlagen in § 630 g Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Die Verpflichtung des Arztes, dem Patienten unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, gilt auch dann, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der Verordnung genannten Zwecken begründet wird (hier: zur Verfolgung von Arzthaftungsansprüpchen) (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.10.2023 - C‑307/22).
(20.10.2023) Gründet ein langjähriger Vertragsarzt nach seinem Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis, in der er einen Berufsanfänger anstellt, so liegt eine Neugründung einer Arztpraxis vor mit der Folge, dass für die Leistungen des angestellten Berufsanfängers (Jungarzt) ein individuelles Leistungsbudget mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnittes zugrunde zu legen ist. Denn die Regelungen zur Honorarverteilung müssen umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen die Möglichkeit geben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen, was auch für Praxen in der Aufbauphase gilt (BSG, Urt. v. 19.7.2023 - B 6 KA 22/22 R).
(19.10.2023) Wird ein Patienten mit Kopfschmerzen an einen Radiologen zum MRT überwiesen, so darf der Radiologe auch vor einem sichtbaren Nebenbefund außerhalt des Gehirnschädels (hier: im Ohrgang) nicht die Augen verschließen. Auch wenn er in medizinischer Sicht nicht selbst verpflichtet ist, diesen Zufallsbefund abzuklären, hat er den Befund im Arztbrief an den überweisenden Behandler aufzunehmen. Übersieht der Radiologe diesen erkennbaren Nebenbefund, stellt dies einen Diagnosefehler dar. Die Arzthaftungsklage des Patienten wurde letztlich aber abgewiesen, weil es dem Patienten nicht gelang, nachzuweisen, dass sein Gesundheitsschaden gerade auf diesem Fehler des Radiologen beruhte (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 10.10.2023 - 4 U 634/23).
(17.10.2023) Der Chefarzt hat gegen den Krankenhausträger als seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz bei unterbliebener Zielvereinbarung, wenn im Chefarztvertrag ein fester Zeitpunkt für den Abschluss der Zielvereinbarung vorgesehen war, der trotz eines Vorschlages der Chefarztes verstrichen ist. Der Chefarzt muss den Krankenhausträger nicht vorher zum Abschluss der Zielvereinbarung auffordern. Es ist davon auszugehen, dass der Chefarzt das vereinbarte Ziel auch erreicht hätte - das Gegenteil muss der Krankenhausträger beweisen (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.7.2023 – 2 Sa 150/22).
(20.9.2023) Der sich stetig verschärfende Ärztemangel in deutschen Kliniken und Praxen verlangt nach Ärzten aus dem Ausland. Allerdings machen die deutschen Vorschriften es insbesondere Ärzten, die nicht in der EU studiert haben, schwer, eine deutsche Approbation als Arzt zu erhalten. Grundsätzlich kann ein Arzt verschiedene, verschlungene Wege wählen, um eine Approbation zu erhalten: Er kann einen Antrag auf Kenntnisprüfung stellen, einen Antrag auf Feststellung der Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildung mit der deutschen Ausbildung oder aber auch einen Antrag auf Berufserlaubnis zum Beispiel um seine Ausbildung zu komplettieren. An dem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Urteil vom 31.08.2023 - 7 K 785/22) soll die Problematik erläutert und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
- Corona: Impfende Ärzte haften nicht selbst für Impfschäden, diese Ansprüche richten sich vielmehr gegen das jeweilige Bundesland: Landgericht Dortmund 01-06-2023
- Wahlleistungsvereinbarung über Chefarztbehandlung ist auch dann wirksam, wenn Chefarzt vorhersehbar verhindert ist: Landgericht Frankenthal 24-02-2023
- Chiropraktiker erhält sektorale Heilpraktikererlaubnis: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 14-06-2023
- Fehlende Datumsangabe bei Mietvertrag einer Arztpraxis kann schwerwiegende Folgen haben: OLG Celle 30-06-2023