(18.1.2024) Ein Anwalt muss aus Sicht des Landgerichts Bonn seinem ehemaligen Mandanten Kopien der gesamten Akte auch noch über vier Jahre nach Mandatsende erteilen (LG Bonn, Urteil vom 19.12.2023 - 5 S 34/23). Zwar sei der zivilrechtliche Auskunftsanspruch, der sich aus §§ 675, 667 BGB ergebe, bereits verjährt. Unverjährt sei aber noch der Auskunftsanspruch aus der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 15 DS-GVO). Droht Anwälten der Auskunftsanspruch der Mandanten nun noch lange Jahre nach Mandatsende?
Der Fall:
Ein Mann hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in mehreren Wirtschaftssachen beauftragt. Die Mandate endeten im Jahr 2018. Im Jahr 2022 forderte der Mann Rechtsanwaltshonorare teilweise zurück und verlangte dazu Auskunft hinsichtlich des Honorar-, des Gebühren- und des Sachstands seiner Verfahren. Die Rechtsanwaltskanzlei wand u.a. ein, der Anspruch auf Auskunft sei verjährt.
Das Amtsgericht Bonn wies die Klage des Mannes ab, da der Auskunftsanspruch aus dem Dienstvertrag in Verbindung mit den §§ 675, 667 BGB verjährt sei, weil die geltende Regelverjährungsfrist von drei Jahren ab Mandatsende abgelaufen sei.
Der ehemalige Mandant legte Berufung ein. Vor dem Landgericht Bonn wandte er nun ein, dass er einen Auskunfstanspruch nach Art. 15 DS-GVO gegen seine ehemaligen Rechtsanwälte geltend mache.
Die Entscheidung:
Das Landgericht gab dem Auskunftsbegehren des ehemaligen Mandanten statt und verurteilte die Rechtsanwälte, dem Mann Auskunft zu erteilen. Den Verjährungseinwand der Rechtsanwälte wiesen das Bonner Landgericht zurück. Die nationalen Verjährungsvorschriften der §§ 195 ff. BGB griffen für Ansprüche aus der DS-GVO nicht ein, so das Gericht. Näher begründet hat das LG Bonn diese Rechtsauffassung nicht, wie rws.beck.de berichtet.
Praxisanmerkung:
Es fragt sich also, wie die Rechtslage aus Sicht der übrigen Gerichte beurteilt wird. Aus Sicht des OLG Koblenz (Urteil vom 20.07.2023 - 10 U 1633/22) verjährt zum einen der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch so lange nicht, wie die Daten bei dem Verantwortlichen gespeichert sind (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 13.05.2022, I-20 U 198/21, Rn. 89). Zum anderen ist zu dem Auskunftsanspruch aus § 242 BGB anerkannt, dass dieser grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch, dem er dient, verjährt (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 222/16, VersR 2017, 1160).
Diese Entscheidung des OLG Celle zeigt einen denkbaren Weg aus dem Dilemma einer ewigen Auskunftspflicht des Anwaltes auf: Der Anwalt kann nach Ende des Mandats dem ehemaligen Mandanten schriftlich auffordern, dass dieser die Akte binnen sechs Monaten abholt oder eine Datenkopie per pdf erhält - danach werde der Anwalt die Daten vollständig löschen. Die anwaltliche Aufbewahrungspflicht der Akten nach § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO von sechs Jahren gilt nämlich nicht, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber aufgefordert hat, die Dokumente in Empfang zu nehmen, und der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten nach Zugang nicht nachgekommen ist (§ 50 Abs. 2 Satz 3 BRAO).
Sind die Daten gelöscht, kann der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch überhaupt erst verjähren. Allerdings ist dann immer noch unklar, wann dieser Auskunftsanspruch verjährt, da die DS-GVO keine Regeln zur Verjährung trifft. Wenn die Daten aber gelöscht sind (und zur Löschung berechtigt § 50 BRAO den Anwalt ja) ist der Auskunfstanspruch nach der DS-GVO aber unmöglich. Eine Klage auf DS-GVO-Auskunft würde dann wegen Unmöglichkeit abgewiesen.