(14.9.2022) Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Fall entschieden, dass Arbeitgeber aufgrund der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet sind, auch die Arbeitszeit zu erfassen (BAG, Beschluss vom 13.09.2022 - 1 ABR 22/21). Gilt dies auch für Kliniken und Praxisinhaber? Und wenn ja, welche Folgen hat es, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nicht erfasst? Kann der Arzt als Arbeitnehmer dann zum Beispiel leichter Überstunden geltend machen?
Hintergrund:
Bekanntermaßen haben in Kliniken oder MVZ oder Arztpraxen angestellte Ärzte immer wieder damit zu kämpfen, erbrachte Überstunden nachzuweisen und vergütet zu bekommen. Ähnliche Probleme stellen sich für sie bei der Frage der Bezahlung von Rufbereitschaftszeiten.
Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz sei der Arbeitgeber ohnehin verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen, so das BAG in seiner Entscheidung vom 13.9.2022.
Auch Kliniken und Praxisinhaber sind Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes. Mithin gilt diese Pflicht zur Zeiterfassung auch für Kliniken und Praxisinhaber als Arbeitgeber von Ärzten.
Fraglich ist allerdings, welche Auswirkungen das für die angestellten Ärzte hat. Können Sie nun Beweiserleichterungen für sich in Anspruch nehmen, wenn der Arbeitgeber die Zeiterfassung nicht durchgeführt hat? Diese Frage ist zwischen den verschiedenen Arbeitsgerichten streitig gewesen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings schon am 4.5.2022 entschieden, dass die Verletzung der arbeitsschutzrechtlichen Pflicht zur Zeiterfassung nicht zu Beweiserleichterung für die Arbeitnehmer führt (BAG, Urteil vom 04.05.2022 - 5 AZR 359/21).
Auswirkungen für Kliniken und Praxisinhaber
Es bleibt also bisher dabei, dass ein Arzt, der als Arbeitnehmer zum Beispiel Überstunden abgeleistet hat, nach wie vor zweierlei beweisen muss: dass er zum einen die Überstunden tatsächlich erbracht hat und zum anderen die Leistung dieser Überstunden auch auf eine Weisung oder Anordnung der Klinik beziehungsweise des Praxisinhabers zurückgeht.
Für Praxisinhaber und Kliniken bedeutet die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.9.2022 also nicht, dass sie nun sofort Zeiterfassungssysteme einführen müssen. Die Verletzung der arbeitsschutzrechtlichen Pflicht zur Zeiterfassung ist rechtlich gesehen folgenlos. Das Arbeitsschutzgesetz knüpft an die Verletzung dieser Pflicht auch keine Bußgeldvorschriften. Lediglich im arbeitsschutzrechtlichen Kontext könnte dem Arbeitgeber ein Nachteil daraus erwachsen, dass er keine Zeiterfassung durchgeführt hat. Dies betrifft aber wohl nur Schadensersatzprozesse von Arbeitnehmern gegen den Arbeitgeber wegen Verletzung arbeitsrechtlicher Vorschriften, nicht dagegen vergütungsrechtliche Ansprüche.