Chefarzt bei der Arbeit mit seinem Oberarzt(15.3.2024) War ein Chefarzt nach eigenen Angaben in der Abteilung seines (weiterbildungsberechtigten) Oberarztes tätig, so begründet dies keinen Anspruch auf Anerkennung der Gleichwertigkeit seiner ärztlichen Tätigkeit und Zulassung zur Prüfung für die Anerkennung der Facharztbezeichnung Physikalische und Rehabilitative Medizin. Denn dies erfordert eine strukturierte und gezielte Weiterbildung "unter Anleitung" eines weiterbildungsbefugten Arztes und mithin unter dessen hierarchischer Leitungsbefugnis. Da ein Oberarzt gegenüber seinem Chefarzt nicht leitungsbefugt ist, kann er diesen auch nicht weiterbilden (Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 15.2.2024 - 5 K 185/21).   

Der Fall:

Ein hochdekorierter und mit zwei Weiterbildungsbefugnissen versehener Facharzt für Chirurgie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie ist seit Jahren als Chefarzt in einer Klinik tätig. Der Chefarzt beantragte die Erteilung einer weiteren Facharztbezeichnung und zwar für "Physikalische und Rehabilitative Medizin". Er hatte zwar keine ordentliche Weiterbildung durchlaufen, machte aber geltend, dass seine langjährige praktische Erfahrung in diesem Bereich und seine Tätigkeit auf der Station eines entsprechend weiterbildungsbefugten Oberarztes einer solchen Weiterbildung gleichwertig sei. 

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Chefarztes auf Anerkennung dieser Weiterbildung als gleichwertig und auf Zulassung zur Facharztprüfung als unbegründet ab.

Zwar könne eine von der Weiterbildungsordnung abweichende Weiterbildung oder ärztliche Tätigkeit unter Anleitung ausnahmsweise vollständig oder teilweise anerkannt werden, wenn sie einer geordneten Weiterbildung gleichwertig sei, § 10 WBO KV Westfalen-Lippe.

Die Ausnahmevorschrift des § 10 WBO greife aber nur ein, wenn der Arzt in besonders gelagerten Ausnahmefällen die in der Weiterbildungsordnung vorgesehen reguläre Weiterbeildung wegen eines Härtefalles nicht durchlaufen konnte. Diese Ausnahmevorschrift greife bereits dann nicht ein, wenn der Arzt von Anfang an die Möglichkeit zu einer regulären Weiterbildung hatte. Einen solchen Härtefall konnte das Gericht hier nicht erkennen, insbesondere sah es das Gericht nicht als einen Härtefall an, dass die Klinik als sein Arbeitgeber damals einen Chefarztposten besetzen musste. 

Es fehle auch an einer gezielten und konzeptionell durchstrukturierten Weiterbildung. Der Chefarzt konnte nicht nachweisen, dass er sich mit dem Oberarzt damals darauf geeinigt hätte, dass die Tätigkeit des Chefarztes auf der Station des Oberarztes gerade seiner fachärztlichen Weiterbildung diene.  

Im Übrigen sei das Erfordernis einer Weiterbildung "unter Anleitung" nicht nur im Sinne einer fachlichen Anleitung, sondern auch im Sinne einer hierarchischen Leitungsbefugnis zu verstehen. Es sei daher nur dann erfüllt, wenn der Angeleitete den Anleitungen des Anleitenden nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die zeitliche und inhaltliche Gestaltung der Weiterbildung zu folgen hat. Ein solches Leitungsverhältnis sei hier im Verhältnis eines Oberarztes zu seinem eigenen Chefarzt grundsätzlich nicht gegeben. Letzterer stehe weder fachlich noch zeitlich noch bezüglich der inhaltlichen Gestaltung der Weiterbildung unter der hierarchischen Leitungsbefugnis seines eigenen Oberarztes.

Praxisanmerkung:

Die Durchführung der Weiterbildungen findet unter der Verantwortung der Ärztekammern statt. Die Facharztweiterbildung erfolgt jeweils in einem bestimmten Gebiet. Auf dieses Gebiet ist der Arzt in seiner Tätigkeit beschränkt (Fachgebietsgrenze). Diese Ausführungskompetenz kann durch Erwerb anderer Facharztbezeichnungen erweitert werden. Der Erwerb einer Facharztbezeoichnung ist in den Weiterbildungsordnungen der Länder geregelt. Der klagende Chefarzt meinte, er habe die Voraussetzungen für die Facharztbezeichnung "Physikalische und Rehabilitative Medizin" durch jahrelange praktische Tätigkeiten zusammen mit einem weiterbildungsbefugten Oberarzt erworben. Das Verwaltungsgericht stellte zu Recht fest, dass diese bloß praktische Tätigkeit, mag sie auch langjährig sein, eine gezielte und strukturierte Weiterbildung nicht ersetzen kann, zudem nicht, wenn sie durch einen unterstellten Arzt erfolgt.

English version:

If a chief physician stated that he worked in the department of his senior physician (who was entitled to further training), this does not constitute a right to recognition of the equivalence of his medical work and admission to the examination for the recognition of the specialist title in physical and rehabilitative medicine. This requires structured and targeted further training “under the guidance” of a doctor authorized to provide further training and therefore under his hierarchical management authority. Since a senior physician does not have managerial authority over his chief physician, he cannot provide him with further training (Münster Administrative Court, judgment of February 15, 2024 - 5 K 185/21).

The case:

A highly decorated specialist in surgery as well as orthopedics and trauma surgery, who has two further training qualifications, has been working as chief physician in a clinic for years. The chief physician applied for an additional specialist title to be granted, namely for “Physical and Rehabilitative Medicine”. Although he had not undergone any regular further training, he claimed that his many years of practical experience in this area and his work on the ward of a senior physician authorized to provide further training were equivalent to such further training.

The decision:

The administrative court dismissed the chief physician's claim for recognition of this further training as equivalent and for admission to the specialist examination as unfounded.

In exceptional cases, further training or medical activity under supervision that deviates from the further training regulations can be fully or partially recognized if it is equivalent to regular further training, § 10 WBO KV Westfalen-Lippe.

However, the exception provision of Section 10 WBO only applies if, in exceptional cases, the doctor was unable to complete the regular further training provided for in the further training regulations due to a case of hardship. This exception does not apply if the doctor had the opportunity to undergo regular further training from the start. The court could not recognize such a case of hardship here; in particular, the court did not see it as a case of hardship that the clinic, as his employer, had to fill a chief physician position at the time.

There is also a lack of targeted and conceptually structured further training. The chief physician could not prove that he had agreed with the senior physician at the time that the chief physician's work on the senior physician's ward served precisely to further his specialist medical training.

Furthermore, the requirement for further training “under supervision” should be understood not only in the sense of technical guidance, but also in the sense of hierarchical management authority. It is therefore only fulfilled if the person being instructed has to follow the instructions of the instructor not only from a technical point of view, but also with regard to the timing and content of the further training. In principle, such a management relationship does not exist here in the relationship between a senior physician and his own chief physician. The latter is not under the hierarchical management authority of his own senior physician, neither in terms of subject matter, time or the content of the further training.

Practical note:

The implementation of further training takes place under the responsibility of the medical associations. Specialist training takes place in a specific area. The doctor's work is limited to this area (specialty boundary). This executive competence can be expanded by acquiring other specialist designations. The acquisition of a specialist title is regulated in the further training regulations of the states. The complaining chief physician said that he had acquired the requirements for the specialist title “Physical and Rehabilitative Medicine” through years of practical work together with a senior physician who was authorized to provide further training. The administrative court rightly found that this purely practical activity, no matter how long it takes, cannot replace targeted and structured further training, especially if it is carried out by a subordinate doctor.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de


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