Ein Vertragsarzt kann auch dann seine Pflichten schuldhaft verletzen, wenn er eine Pflichtwidrigkeit begeht, um zunächst eine gerichtliche Überprüfung zur Frage der Dosierung von Medikamenten zu erreichen, und der Arzt im Irrtum über die Rechtslage war. Denn der Arzt kann hier auch eine isolierte gerichtliche Festetellungsklage betreiben, um die Rechtsfrage zu klären (BSG, Beschluss v. 15.08.2012 - B 6 KA 13/12 B).

Im vorliegenden Fall war ein Hausarzt bei der medikamentösen Behandlung mittels Testlösungen von den Dosierungsangaben des Herstellers in der Fachinformation abgewichen. Ihm wurde vorgeworfen, er habe in zahlreichen Fällen für den sog Fungiqual-A-Test den Leistungstatbestand Nr. 4653 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet, obgleich die qualitativen Anforderungen - Verwendung einer ausreichenden Reagenzmenge - nicht eingehalten worden seien. Darüber hinaus sei nur der für einfachere Testverfahren einschlägige Leistungstatbestand Nr 3937 EBM-Ä erfüllt gewesen. Dem Kläger wurde ferner vorgeworfen, mehrfach Nr 4658 EBM-Ä (5,10 Euro) - statt Nr 3884 EBM-Ä (1,15 Euro - Angabe für 2002) - abgerechnet zu haben.
Die KV wies ihn darauf hin, dass die entsprechende Abrechnung daher fehlerhaft sei und erließ einen Bußgeldbescheid über EUR 10.000. Der Arzt ging davon aus, dass seine Rechtsauffassung richtig war und setzte die Dosierung in vielen weiteren Fällen, die er auch entsprechend abrechnete, fort. Der Hausarzt wehrte sich gegen den Disziplinarentscheid.

Das BSG wies sein Rechtsmittel zurück: Wird der Arzt von der KV auf die Fehlerhaftigkeit einer von ihm eingereichten Abrechnung hingewiesen, so handelt er pflichtwidrig, wenn er danach gleiche Abrechnungen weiterhin einreicht. Er muss auf solche Abrechnungsansätze künftig verzichten und darf sie erst dann wiederholen, wenn zuvor eine rechtliche Klärung zu seinen Gunsten erfolgt ist.
Dem Arzt stehen (weitere) Rechtsschutzmöglichkeiten im Wege einer Feststellungsklage offen, mit der er die Richtigkeit der ihm vermeintlich zustehenden günstigeren Abrechnung klären lassen kann.

Es ist anerkannt, dass Rechtsschutz nicht nur gegen Quartalshonorarbescheide gegeben ist, sondern Vorfragen, die sich wiederkehrend immer wieder stellen, zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden können. Es spricht alles dafür, den zu beachtenden Vorgaben gemäß § 72 II SGB V auch die Qualitätsregelung des § 2 V MPBetreibV hinzuzurechnen, wonach der „Anwender ... eines Medizinproduktes ... die Gebrauchsanweisung ... zu beachten hat.“ Auch unabhängig von einer solchen Auslegung des § 2 V MPBetreibV sind Gebrauchsanweisungen und sonstige Herstellerangeben, die zur Qualität der Versorgung beitragen können, zu beachten. So misst das BSG in seiner Rspr. zum Off-Label-Use der sog. Fachinformation des Arzneimittelherstellers maßgebliches Gewicht bei: Eine Dosierung, die von der sog Fachinformation des Arzneimittelherstellers abweicht, wird als grundsätzlich rechtswidrig qualifiziert.

Anmerkung:
Nach einem Hinweis der KV sollte der Arzt schnellstmöglichst eine gerichtliche Klärung über die Frage herbeiführen. Das BSG zeigt auf, wie sich der Arzt in einer solchen Situation verhalten kann, um im Falle einer ihm günstigen Entscheidung im Feststellungsverfahren seine Ansprüche noch geltend zu machen:

Der Arzt muss zunächst die Klärung der Differenzen mit der KÄV abwarten. Er kann aber, um in der Folgezeit keine Honorarverluste zu erleiden, jeweils parallel zur Einreichung der Quartalsabrechnung diejenigen Leistungen auflisten, bei denen er der Ansicht ist, dass sie an sich nach einem höher bewerteten Leistungstatbestand zu honorieren sind. So behält der Arzt die Chance, im Falle einer für ihn günstigen Klärung des ersten Streitfalls nachträglich auch für die weiteren gleichen Leistungen die höhere Vergütung zu erhalten.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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