Urteil des Gerichts über Nachbesetzungsverfahren einer Hausarztpraxis(21.12.2023) Die Nachbesetzung einer Praxis (hier: hausärztliche Praxis) scheitert, wenn die Ärztin über fünf Quartale vor der Praxisabgabe nur eine Fallzahl von 18% des Fachgruppendurchschnitts erreichte. Und ist ein Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bereits wegen eines solchen fehlenden Praxissubstrates vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden, so kann die Ärztin auch keine Entschädigung nach § 103 Abs. 3a Satz 13 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2023 – L 5 KA 3221/22). Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit einer vorausschauenden Planung der Praxisabgabe. 

Eine Praxisabgabe an einen Nachfolger erfordert die Existenz einer nachbesetzungsfähige Praxis. Das setzt den Besitz bzw. Mitbesitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet erforderlichen Praxisinfrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht voraus (vgl. BSG Urteil vom 29.9.1999 - B 6 KA 1/99 R).

Die Zulassungsgremien hatten den Antrag der klagenden Ärztin auf Nachbesetzung abgelehnt unter Hinweis auf die geringe Fallzahl (18% des Fachgruppendurchschnitts). Auch ihren Antrag auf Zahlung einer Entschädigung wegen Ablehnung des Nachbesetzungsantrages (§ 103 Abs. 3a Satz 13 SGB V) sah das Zulassungsgremium als unbegründet an. Unbeachtlich sei, ob die geringen Fallzahlen zum Teil auf eine Erkrankung der Klägerin zurückzuführen seien. Dieser Argumentation ist auch das Sozialgericht Stuttgart gefolgt (SG Stuttgart, Urteil vom 18.7.2022 - S 5 KA 2458/19).

Die Ärztin hat das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart dann nur hinsichtlich der Versagung der Entschädigung angegriffen, so dass der Ausspruch der fehlenden Nachbesetzungsfähigkeit der Praxis rechtskräftig wurde. Über die Nachbesetzungsfähigkeit und über die Frage, ob eine Praxis, die nur 18 % des Fachgruppendurchschnitts behandelt, noch nachbesetzungsähig ist, musste das Landessozialgericht daher nicht entscheiden.

Das LSG entschied, dass eine Entschädigung nur dann in Betracht kommt, wenn eine nachbesetzungsfähige Praxis vorliege. Darüber entscheide allein der Zulassungsausschuss. An diese Entscheidung, die bestandskräftig geworden ist, sei das LSG gebunden. 

Im Ergebnis scheiterte die Ärztin sowohl mit dem Nachbesetzungsantrag wie auch mit dem Entschädigunganspruch. Mit anderen Worten ist ihre Zulassung letztlich ersatzlos untergegangen.

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung eines Arztes, seine vertragsärztliche Tätigkeit zu beenden, kann viele Gründe habe. Dazu gehören auch Altersgründe und Erkrankungen. Im letzteren Fall sollte der abgebende Arzt für die Zeiten krankheitsbedingter Abwesenheiten eine Vertretung organisieren, um die Fallzahl einigermaßen auf Höhe des Fachgruppendurchschnitts zu halten. Nur so kann er eine reibungslose Nachbesetzung und Praxisübergabe gewährleisten. Ein Absinken der Fallzahl unter 20 % des Fachgruppendurchschnitts für einen Zeitraum von mehr als vier Quartalen sollte unbedingt vermieden werden. Lässt sich kein Nachfolger finden, sollte der abgebungswillige aber kranke Arzt ein temporäres Ruhen der Zulassung beantragen.

Sinnvoll ist es dann auch, wenn der abgebungswillige Arzt als Vertreter sogleich einen Interessenten auf die Praxisnachfolge auswählt. Denn im Nachbesetzungsverfahren bevorzugen die Zulassungsgremien regelmäßig solche Bewerber, die die Patienten des Praxisabgebers bereits behandelt haben. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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