(14.12.2023) Ein niedergelassener Arzt kann sich nicht durch seinen Weiterbildungsassistenten vertreten lassen. Der Arzt muss Rezepte für seine Patienten selber unterzeichnen und kann diese Aufgabe nicht an andere Ärzte delegieren. Dies gilt sowohl für Erstrezepte wie auch für Folgrerezepte. Anders ist dies allerdings bei Laborleistungen, da diese keine ärztlichen Behandlungsleistungen darstellen (Sozialgericht München, Urteil vom 23.11.2023 - S 38 KA 11/19).
Der Fall:
Die KV verlangte von einem endokrinologischen Internisten in Praxisgemeinschaft mit anderen Ärzten rund 600.000 EUR zurück im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung wegen Verstoßes gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung. Das Gesamthonorar wurde in allen Quartalen zu mehr als 50 % aus Laborleistungen erzielt. Der Arzt hielt dem u.a. entgegen, dass er sich habe vertreten lassen dürfen von einem Weiterbildungsassistenten sowie von seinen Praxiskollegen. Derjenige Arzt der Praxisgemeinschaft, der gelegentlich am Empfang vorbeiging, unterschrieb die Rezepte, um die Wartezeiten für die Patienten zu verkürzen. Überdies erbringe er viele Laborleistungen, die bei der Plausibilitätsprüfung nicht zu berücksichtigen seien.
Die Entscheidung:
Das Sozialgericht hob den Rückforderungsbescheid der KV auf, verpflichtete die KV zur Neubescheidung und führte zur Begründung aus:
- Eine Vertretung durch einen Weiterbildungsassistenten ist nicht möglich
- das Ziel, Wartezeiten der Patienten zu verkürzen, indem ein anderer Arzt Leistungen erbringt, ist kein tauglicher Vertretungsgrund
- eine stundenweise oder halbtägige Vertretung ist unzulässig; zulässig ist allein eine tageweise Vertretung
- der behandelnde Arzt muss Rezepte zwingend selbst unterzeichnen, er darf diese Aufgabe nicht an andere Ärzte delegieren - dies gilt sowohl für Erstrezepte als auch für Folgerezepte
- weicht die Rezeptunterschrift von dem Namen des Vertragsarztes ab, ist zu vermuten, dass der Vertragsarzt auch die Behandlungsleistungen nicht persönlich erbracht hat
- anders sind Rezepte für Laborleistungen zu behandeln - Laborleistungen (Basislabor und Speziallabor) werden als technische Leistungen von Laboratoriumsmedizinern außerhalb der für die Plausibilität maßgeblichen Sprechstundenzeiten erbracht
Die Laborleistungen können daher aus Sicht des Sozialgerichts bei der Plausibilitätsprüfung nicht zu Lasten des Arztes berücksichtigt werden. Im vorliegenden besonderen Fall der Laborleistungen sei ein Rückschluss von den Rezeptunterschriften auf die Laborleistungen nicht zulässig.
Des weiteren traf das Gericht Aussagen zu der Zulässigkeit von Überweisungen an die Praxiskollegen des Arztes und zu der Frage, wann ein Regressanspruch der KV verjährt (Ausschlußfristen).
Praxisanmerkung:
Es ist für den Arzt der sicherste Weg, wenn er Vertretungen von der KV sogleich genehmigen lässt. So kann er Regresse bzw. Regressverfahren vermeiden.
Ratsam ist es auch, wenn der Arzt peinlich genau darauf achtet, dass er alle Rezepte selber unterzeichnet, auch wenn dies zu Wartezeiten der Patienten führt oder wenn sich diese Rezepte auf Laborleistungen beziehen.
Im vorliegenden Fall konnte der Arzt, der sehr viele Laborleistungen abrechnete und damit unplausibel erschien, nachweisen, dass die Laborleistungen von Praxispersonal erbracht werden (mithin es für die Plausibilität seiner Abrechnung unerheblich ist, dass nicht er sondern ein anderer Arzt die Rezepte unterschrieb).