Schließung einer Apotheke(29.1.2024) Der Apothekerin wurden mehrere Verstöße gegen Vorschriften des BtMG in Gestalt der nicht ordnungsgemäßen Nachweisführung vorgeworfen. Dieser Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, ist für sich allein genommen aber nicht ausreichend, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr zu begründen (im Sinne dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, § 64 Abs. 4 Nr. 4 AMG) und damit eine vorläufige Schließung der beiden Apothekenfilialen der Apothekerin zu rechtfertigen (Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 2.1.2024 - M 26b E 23.5834).

Der Fall:

Die Antragstellerin ist seit 1990 Apothekerin, sie betreibt zwei Apothekenfilialen in Bayern. Aufgrund anonymer Hinweise besichtigte die Aufsichtsbehörde die Apotheken und fand heraus, dass 

  • seit 2021 mindestens 530 Packungen zu je 10 Ampullen Ketamin ohne ärztliche Anordnung an Patienten abgegeben worden waren
  • seit Juni 2023 die nach § 17 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) erforderliche Nachweisführung unterblieben bzw. lückenhaft war

Die Aufsichtsbehörde befürchtete auch, die Apothekerin habe Cannabis unberechtigt an Patienten abgegeben. Derzeit läuft auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Falschaberechnung und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. 

Die Aufsichtbehörde untersagte der Apothekerin jeden Verkehr mit Betäubungsmitteln und verfügte schließlich die vorläufige Schließung der beiden Filialapotheken. Denn ohne Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr sei der ordnungsgemäße Apothekenbetrieb nicht mehr zu gewährleisten und weitere Verstöße gegen die das Arzneimittelrecht und das Apothekenrecht müssten verhindert werden. Die Behörde sei befugt, vorläufige Anordnungen zur Schließung des Betriebes zu treffen, soweit es zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten sei. Die Apothekerin habe zudem die Gesundheit der betroffenen Patienten in Gefahr gebracht, indem sie an Suchtmittelabhängige ohne Verschreibung Ketamin abgegeben habe, ein Narkosemittel, das auch als Suchtmittel missbraucht werde und bei falscher Dosierung oder Mischkonsum mit anderen Substanzen gegebenenfalls auch lebensbedrohlich sein könne. Die sofortige Vollziehung der Bescheide wurde angeordnet.

Die Apothekerin klagte gegen die Schließungsbescheide und beantragte beim Verwaltungsgericht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben (so dass der Widerspruch den Bescheid ersteinmal aussetzt). 

Die Apothekerin begründete dies u.a. damit, dass sie aus Mitleid und womöglich falsch verstandener Verbundenheit mit einer bestimmten Patientin, an diese – und nur an diese – Ketamin ohne ärztliche Verschreibung abgegeben habe. Dabei sei es der Apothekerin gelungen, den Konsum der Patientin deutlich zu reduzieren. Diese Vorwürfe habe sie bereits eingeräumt. Seit der Beanstandung im September 2023 sei es zu keiner einzigen Ketaminabgabe ohne Verschreibung mehr gekommen. Die noch ungeöffneten Packungen seien an den Großhandel zurückgegeben worden. Die Behörde versuche, durch unsubstantiierte Behauptungen eine negative Gefahrenprognose zu konstruieren, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehre. Es sei nicht nachvollziehbar, an welche Patienten angeblich Betäubungsmittel in anderen Mengen als vorgeschrieben abgegeben worden seien. Die unberechtigte Abgabe von Cannabis an Patienten und andere Vorwürfe hat die Apothekerin bestritten. 

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht gab der Apothekerin Recht und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Schließungsbescheide an (mit der Folgem, dass diese Bescheide derzeit keine Wirkung haben und die Apothekerin die Filialen wieder öffnen darf, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat). 

Dies begründete das Verwaltungsgericht wie folgt:

  • der Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, ist für sich allein genommen nicht ausreichend, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr im Sinne des § 64 Abs. 4 Nr. 4 AMG zu begründen.
  • die Annahme der Behörde, dass der Ausfall der Antragstellerin bei Betäubungsmittelversorgung und Notdienst allerdings eine dringende Gefahr für die Patientenversorgung zu begründen vermag, erscheint höchst zweifelhaft, denn es gibt im Stadgebiet noch weitere Apotheken, die den Ausfall der Apothekerin auffangen könnten.
  • die weiteren Vorwürfe gegen die Apöothekerin sind Gegenstand weiterer Ermittlungen bzw. von der Apothekerin bestritten worden, so dass sie ungeklärt sind und nicht eine vorläufige Schließung begründen können. 
  • es sei davon auszugehen, dass die Ermittlungsverfahren und das behördliche Verfahren die Apothekerin, die schon seit 1990 bisher beanstandungsfrei tätig ist, hinreichend disziplinieren werde, so dass eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben ist.
  • die Schließung ist jedenfalls unverhältnismäßig, weil diese ungeeignet ist, die Versorgung der Patienten zu gewährleiten - vielmehr verschärft eine Schließung einer Apotheke ja die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten.
  • die Schließung ist auch unverhältnismäßig, da diese nicht erforderlich ist, die Bevölkerung vor Mißbrauch mit Betäubungsmitteln zu schützen - denn der Apothekerin wurde bereits jeder Verkehr von BtM verboten. 

Praxisanmerkung:

Der Fall zeigt, wie wichtig eine zeitnahe und umfassende Stellungnahme und Verteidigung gegen den Vorwurf der Verletzung arzneimittelrechtlicher Vorschriften für den Apotheker ist. Was nicht bewiesen ist, muss (frühzeitig) bestritten werden. Zu Vorwürfen muss Stellung genommen werden. Was von den Vorwürfen wahr ist, sollte auch zugestanden werden, denn in der Regel kommen begangene Verstöße "so oder so ans Licht". 

Die Apothekerin war hier gut beraten und hat das Offensichtliche zugegeben (Ketamin ohne Rezept abgegeben), das Unklare bestritten (u.a. unerlaubte Cannabisabgabe) und Mißstände sofort effektiv abgestellt (Ketaminabgabe ohne Rezept). 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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