Liegt eine Beschäftigung eines anderen Arztes ohne Genehmigung vor, kann grundsätzlich eine sachlich-rechnerischen Berichtigung und eine Honorarrückforderung hinsichtlich der vom ohne Genehmigung beschäftigten Arzt erbrachten Leistungen vorgenommen werden (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 1.4.2016 - S 12 KA 466/15).

BerechnungenNicht zu beanstanden ist die Berechnung des Berichtigungsbetrages, wenn die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihres Schätzungsermessens den Leistungsanteil abschöpft, der im Quartal auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 780 Stunden (Quartalsprofil) entfällt.

Aus den Gründen:

Kürzung berechtigt, weil Assistent nicht mit Genehmigung angestellt war

Soweit die Beklagte zunächst darauf abstellt, dass der in eigener Praxis niedergelassene Kläger einen Arzt in seiner Praxis ohne Genehmigung beschäftigt hat, war sie grundsätzlich zur Kürzung aller von diesem Arzt abgerechneten Leistungen berechtigt.

Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Als Ausnahme von diesem Gebot der persönlichen Leistungserbringung gilt neben der Anstellung von Ärzten die Vertretung, Beschäftigung von Assistenten und die Delegation von Hilfstätigkeiten, soweit die rechtlichen Grenzen hierfür eingehalten werden. Die Anstellung eines Arztes setzt eine Genehmigung des Zulassungsausschusses voraus. Die Beschäftigung von Assistenten bedarf der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung und ist im Übrigen begrenzt auf Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Entlastungsassistenten. Eine rückwirkende Genehmigung ist ausgeschlossen. Eine - kurzzeitige - Vertretung wegen Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung ist bis zu einer Dauer von drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten zulässig. Aus den Vorgaben zur Anzeigepflicht ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine darüber hinausgehende Vertretung oder Vertretung aus anderen Gründen genehmigungspflichtig ist. Sie ist auch - ebenso wie die Beschäftigung eines Assistenten - nur aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung möglich. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der KV mitzuteilen.

Der Kläger hat selbst angegeben, Herr Dr. C. jedenfalls in den hier strittigen drei Quartalen I bis III/13 beschäftigt zu haben. Dies hat er weder angezeigt noch hat er hierfür eine Genehmigung beantragt oder erhalten. Sachlich dürfte es sich um die Anstellung eines Arztes nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehandelt haben, da eine Vertretung des Klägers, die seine Abwesenheit voraussetzt, wohl nur selten vorgekommen ist. Nach dem im Klageverfahren zuletzt gehaltenen Vortrag hat Herr Dr. C. in den streitbefangenen Quartale anfänglich fünf Tage, danach vier Tage und zum Schluss drei Tage in der Praxis mitgearbeitet. Damit ist von einer Dauerbeschäftigung des Herrn Dr. C. im gesamten streitbefangenen Zeitraum auszugehen. Zwar hat der Gesetzgeber des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes davon abgesehen, dass Fachgebietsidentität für die Anstellung eines Arztes - abgesehen von der sog. Job-Sharing-Anstellung - bestehen muss. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine Genehmigung hätte erhalten können, da er diese nicht beantragt hat und eine solche nicht rückwirkend erteilt werden kann.

Soweit aber eine Beschäftigung eines anderen Arztes ohne Genehmigung vorliegt, kann grundsätzlich eine sachlich-rechnerischen Berichtigung und eine Honorarrückforderung hinsichtlich der vom ohne Genehmigung beschäftigten Arzt erbrachten Leistungen vorgenommen werden.

Maßstab ist 780er Grenze

Nicht zu beanstanden war die Berechnung des Berichtigungsbetrages.

Im Rahmen ihres Schätzungsermessens hat die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der im Quartal auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 780 Stunden entfällt.

Anmerkung:

Insbesondere zur Überwindung von zeitlichen Engpässen, Mehrarbeit oder aber auch bei der Vorbereitung einer Praxisabgabe kann die Beschäftigung eines Kollegen in der Praxis erforderlich werden. Auch wenn die gesetzlichen Vorgaben zur Anstellung bzw. Vertretung streng sind und es schwer ist, durch eine Anstellung das Budget zu erweitern, sollte der niedergelassene Arzt doch in jedem Fall sich anwaltlich beraten lassen, bevor er in Eigenregie eine Anstellung "plant" und am Ende mit leeren Händen dasteht. Wie das Urteil zeigt, ist es gängig, in solchen Fällen der nicht genehmigten Beschäftigung eines Angestellten sämtliche von diesem erbrachten Leistungn zurückzufordern.

Und dabei hält sich die Behörde nicht damit auf, herauszurechnen, welcher Arzt welche Leistungen erbracht hat. Das wäre viel zu kompliziert. Stattdessen stellt die Behörde schlicht auf die üblichen Quartalszeitgrenzen ab (hier 780 Stunden). Was darüber liegt, gilt als vom angestellten Arzt erbracht und wird gekürzt.  

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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