Bei einem gemeinsamen Patientenaufkommen zwischen 61,2 und 85 Prozent, im Durchschnitt der sieben streitigen Quartale (2003 und 2004) von 72,7 Prozent, hat eine Praxisgemeinschaft das Gepräge einer Gemeinschaftspraxis. Mithin liegt eine ungenehmigte gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne einer Gemeinschaftspraxis vor, die zur Berichtigung der Honorarbescheide berechtigt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.03.2015 - L 7 KA 5/12).

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Seit 1993 bildete er eine Praxisgemeinschaft mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L, der zuvor seit 1990 als Praxisassistent in der Praxis des Klägers angestellt gewesen war. Seit Januar 2005 führen sie nun eine BAG. Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Absatz 2 SGB V im Rahmen einer patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung für die Quartale III/03 bis IV/04 und eine damit verbundene Honorarrückforderung in Höhe von 24.959,16 €.

Das Sozialgericht hatte der KV Recht gegeben und die Honorarrückforderung bestätigt.

Auch das LSG sah hier eine mißbräuchliche Nutzung der Rechtsform der Gemeinschaftspraxis und folgte den Einwendungen des Arztes nicht. Aus Sicht des LSG zeige sich die gemeinsame Koordinierung des Patientenaufkommens schon in dem Einlesen der Chipkarten der Patienten beim ersten Besuch der Ärzte im Quartal in beide Praxiscomputer. Die Doppelbehandlungen sind für eine Praxisgemeinschaft überwiegend nicht plausibel begründet. Plausibilität wäre etwa gegeben, wenn der Allgemeinmediziner seine Patienten zu nur vom Kläger vornehmbaren gastroenterologischen Untersuchungen an diesen überwiesen hätte. Das war aber in den repräsentativen Stichproben der Beklagten nur in zwei von 35 Patienten der Fall.

Ein derartiger Formenmissbrauch liegt vor, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist. Eine solche Form der Kooperation kann - wie auch im vorliegenden Fall - zu einem sehr hohen Anteil an Patienten führen, an deren Behandlung sowohl der betroffene Arzt als auch der bzw. die Kollege(n) gemeinsam beteiligt sind. Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde. Zur Frage, ab welcher Größenordnung ein in diesem Sinne auffälliger Anteil gemeinsam behandelter Patienten vorliegt, wird in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. März 2006 zwar nicht abschließend Stellung genommen. Es wird aber auf die Richtlinien hingewiesen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen vereinbart haben und nach denen bereits bei 20 Prozent Patientenidentität - bzw. bei 30 Prozent im Falle gebietsübergreifender/versorgungsübergreifender Praxisgemeinschaften - eine Abrechnungsauffälligkeit anzunehmen ist. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts liegt jedenfalls dann, wenn zwei kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebiets mehr als 50 Prozent der Patienten gemeinsam behandeln, eine für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit mit Behandlung eines gemeinsamen Patientenstamms vor (BSG, Beschluss vom 11. Mai 2011, B 6 KA 1/11 B; ebenso: Beschluss vom 6. Februar 2013, B 6 KA 43/12 B); eine Patientenidentität von so großem Ausmaß ist nur vorstellbar mit Hilfe der Koordinierung des Patientenaufkommens in einer für Gemeinschaftspraxen typischen einheitlichen Praxisorganisation.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BSG anhängig (B 6 KA 50/15 B).

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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