(19.1.2018) Ist der Keramikkopf einer Hüftprothese gebrochen und entfernt der behandelnde Arzt unter Einfügung eines Metallkopfes dann lediglich den defekten Keramikkopf, nicht aber auch die keramische Pfanne, so stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, der zu einem Schmerzengsgeldanspruch des Patienten führt  (Landgericht Kiel, Urteil vom 29. Januar 2010 – 8 O 42/07).

Fehler bei Hüftoperation

Praxisanmerkung:

Die Patientin musste sich in Folge des Fehlers des Arztes bei der Hüftoperation mehreren Nachoperationen unterziehen und leidet noch heute an den Folgen des im ersten Anlauf mißglückten Wechsels der Hüftgelenksprothese. Obwohl das Gericht feststellte, dass die Behandlung grob fehlerhaft war, hat die Patientin nur ein geringes Schmerzensgeld (8.000 Euro) erhalten. Begründet wurde dies damit, dass die beklagten Ärzte lediglich für die fünfmonatigen Beschwerden der Patientin sowie eine Wechseloperation hafteten und jede Hüftimplantatoperation Risiken berge. Wer einem Porsche die Tür kaputt fährt, muss deutlich mehr zahlen. Die in Deutschland für erlittenes Leid gezahlten Schmerzensgeldbeträge sind schlicht und ergreifend viel zu niedrig bemessen und können regelmäßig das erlittene Leid nicht ansatzweise ausgleichen. Betroffenen Patienten, die auf Schmerzensgeld klagen, muss bewusst sein, dass sie auch im Fall des Erfolgs einer Klage überwiegend nicht auf ein angemessenes Schmerzensgeld hoffen können.

Auffällig ist an der Entscheidung, dass der medizinsche Sachverständige zwar den Fehler an sich bejahte und diesen auch als grob bezeichnete. Allerdings lag es auch auf der Hand, dass der Fehler grob war. Im Folgenden hegte der Sachverständige die Haftung der Operateure aber wieder nach Kräften ein. Dabei sind die vom Sachverständigen gegebenen Begründungen aus hiesiger Sicht nicht nachvollziehbar und es verwundert, dass das Gericht diesen gleichwohl gefolgt ist. Einmal mehr zeigt sich, dass die Gerichte den Erläuterungen eines medizinischen Sachverständigen in der Regel folgen ohne diese kritisch zu hinterfragen. 

Aus Sicht des Arztes bleibt festzuhalten, dass bei einem Wechsel eines zerbrochenen Kopfes (Wechseloperation) auch die Pfanne auszuwechseln ist. Die Kombination von ungleichen Materialien von Kopf und Pfanne entspricht nicht dem medizinischen Standard. Dies gilt sowohl bei der Erstversorgung als auch bei einem Implantatversagen und anschließendem Wechsel des Implantats. 

Das Urteil im Volltext:

Tenor

Die Beklagte zu 1. und der Beklagte zu 3. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.504,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagten zu 1. und 3. werden als Gesamtschuldner verurteilt, die von der Klägerin aufgrund mangelnden Entgelts in der Zeit vom 06.12.2005 bis 31.01.2006 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund für Versicherungsnummer xxx und bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zur Versicherungsnummer yyy nicht zahlbaren Rentenversicherungsbeiträge nachzuentrichten.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1. und 3. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche derzeitigen und auch zukünftigen materiellen Schäden, die aus einer heute nicht absehbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin folgen und die auf dem Einbau eines Metallkopfes bei Belassen der Keramikpfanne in der Operation vom 18.07.2005 beruhen, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder andere Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese 95 % und die Beklagte zu 1. und der Beklagte zu 3. als Gesamtschuldner tragen 5 %. Die Klägerin hat den Beklagten zu 1. und 3. 90 % ihrer entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Des Weiteren trägt die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und 4. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die 1951 geborene Klägerin nimmt die beklagte Klinik zu 1. und die behandelnden Operateure wegen Behandlungsfehler nach Bruch eines künstlichen Hüftkeramikkopfes in Anspruch.

Am 16.12.2003 wurde der Klägerin eine zementfreie Hüftgelenksendoprothese links durch den Beklagten zu 2. implantiert. Sowohl der Hüftkopf als auch die Hüftpfanne bestanden aus Keramik. Wegen der Einzelheiten wird auf den Operationsbericht vom 16.12.2003 (Anlage K 1) Bezug genommen.

In der Nacht vom 14. auf den 15.07.2005 nahm die Klägerin bei einem Gang ins Badezimmer ein lautes Krachen wahr und litt an erheblichen Schmerzen in der linken Hüfte. Sie stellte sich daraufhin am Freitag, 15.07.2005, in der Klinik der Beklagten zu 1. vor. Die dort eingeleitete Röntgendiagnostik ergab einen Bruch des Keramikprothesenkopfes. Nach sofortiger stationärer Aufnahme erfolgte am Montag, 18.07.2005, eine Operation zur Entfernung und Austausch des beschädigten Prothesenteils. Der Beklagte zu 3.) entfernte den zerborstenen Keramikkopf und ersetzte diesen durch einen neuen Metallkopf bei Belassen der im Jahre 2003 implantierten Keramikpfanne. Wegen der Einzelheiten der Operation wird auf den Operationsbericht vom 18.07.2005 (Anlage K 2) verwiesen. Das entfernte Material wurde vernichtet. Am 22.07.2005 konnte die Klägerin aus der Klinik entlassen werden.

Ab September 2005 traten bei der Klägerin erneut Schmerzen im Bereich der linken Hüfte auf, das Bein schwoll an und es zeigte sich alsbald eine Entzündung des linken Hüftgelenks.

Am 08.12.2005 wurde in der Klinik der Beklagten zu 1. eine Punktion des linken Hüftgelenks vorgenommen, bei der ein braunes Sekret gefördert wurde. Insoweit wird Bezug genommen auf den Operationsbericht vom 08.12.2005 (Anlage K 3). Ausweislich des pathologischen Untersuchungsergebnisses gemäß Anlage K 4 war in dem gewonnen Punktat Abriebmaterial der Prothese feststellbar.

Die behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1. entschlossen sich daher, einen erneuten vollständigen Wechsel des künstlichen Hüftgelenks vorzunehmen. Die Revisionsoperation erfolgte am 19.12.2005 durch den Beklagten zu 4.. Ausweislich des Operationsberichtes vom 19.12.2005 (Anlage K 5) zeigte sich eine ausgeprägte entzündliche zystische Fremdkörperreaktion in der linken Hüfte. Es wurden drei winzige Keramiksplitter durch den Beklagten zu 4. entfernt und eine Synovektomie, d. h. eine vollständige Entfernung der Gelenkinnenhaut, durchgeführt. Im Anschluss hieran erfolgte sowohl ein Wechsel des Prothesenkopfes als auch der Pfanne in eine Allofit-​Pfanne aus Metall und einen Kopf ebenfalls aus Metall, nämlich Kobaltchrom.

Trotz dieser Operation besserten sich die Beschwerden der Klägerin nicht wesentlich. In diversen Punktionen konnten Flüssigkeitsansammlungen aus der linken Hüfte gefördert werden.

Die Klägerin begab sich schließlich in die Weiterbehandlung der L-​Klinik in K., in der am 02.05.2006 eine erneute Revisionsoperation stattfand. Gemäß des eingereichten Operationsberichts (Anlage K 6) wurde dort eine ausgedehnte Synovialitis vermutlich aufgrund von Metallabrieb durch Keramiksplitter festgestellt. Es erfolgte erneut eine subtotale Synovektomie und ein erneuter Austausch des künstlichen Hüftgelenks durch Einsatz eines Metalladapters auf den gebrauchten Metallkonus und anschließend das Aufbringen eines neuen Keramikkopfes sowie eines Polyäthyleninlays in der Pfanne.

Trotz dieser Maßnahme trat keine deutliche Besserung der Beschwerden der Klägerin ein, sodass am 29.01.2007 im T-​Krankenhaus in H. eine erneute Revisionsoperation durchgeführt wurde, indem ein nochmaliger Pfannenwechsel links und ein totales Débridement des Gelenkinnenraums vorgenommen wurde. Die Beschwerden der Klägerin blieben jedoch.

Die Klägerin ist seit dem 25.10.2005 arbeitsunfähig. Inzwischen ist eine Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt worden, nachdem ein Arbeitsversuch in ihrem Beruf als Krankenschwester am 06.08.2007 fehlgeschlagen ist.

Die Klägerin behauptet, dass Ursache für den Bruch des Keramikkopfs ein Materialfehler oder ein Fehler bei der Implantation sei. Da der gebrochene Kopf durch die Beklagte vernichtet worden sei und der Klägerin hierdurch jede Beweismöglichkeit genommen worden sei, gelte ihrer Ansicht nach bezüglich des Vorliegens eines Behandlungsfehlers eine Umkehr der Beweislast.

Die Revisionsoperation vom 18.07.2005 sei aus mehreren Gründen fehlerhaft gewesen:

Sie sei zunächst verspätet erfolgt, es hätte sofort eine Operation erfolgen müssen, um eine Ausbreitung der Keramiksplitter im Gewebe zu verhindern. Zudem seien fehlerhaft nicht alle Scherben des zerborstenen Kopfes entfernt worden. Es hätte zu diesem Zweck eine totale Synovektomie, also eine vollständige Entfernung der Gelenkinnenhaut erfolgen müssen. Diese sei – unstreitig – unterblieben. Schließlich sei fehlerhaft sowohl bei der Operation vom 18.07.2005 als auch bei der Revisionsoperation vom 19.12.2005 ein Metallkopf eingesetzt worden, der durch die Keramiksplitter abgerieben worden sei und hierdurch eine Fremdkörperreaktion und die weiteren Revisionsoperationen verursacht habe.

Aufgrund der Behandlungsfehler der Beklagten leide die Klägerin bedingt durch die fortbestehende Entzündung des linken Hüftgelenks an permanenten Schmerzen und Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten, die zu ihrer Erwerbsunfähigkeit geführt hätten. Dies habe zu einem Verdienstausfall für die Zeit vom 25.10.2005 bis zum 31.08.2009 in Höhe von insgesamt 20.058,67 € geführt. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Klagschrift vom 06.07.2007, Seite 11 (Bl. 11 d. A.), und der Klagerweiterung vom 27.08.2009, Seite 1 bis 3 (Bl. 177 ff. d. A.). Darüber hinaus macht die Klägerin als Schadensersatz entstandene Fahrtkosten zu Behandlungen in diversen Krankenhäusern und bei Ärzten, geleistete Krankenhauszuzahlungen, Kopierkosten für Krankenunterlagen sowie die geleistete Selbstbeteiligung der Rechtsschutzversicherung als Schadensersatz geltend. Wegen der einzelnen Positionen wird auf die Klagschrift vom 06.07.2007, Seite 11 (Bl. 11 d. A.), Bezug genommen.

Wegen ihrer erheblichen Beschwerden und der hierdurch bedingten Einschränkung der Lebensqualität, die sich nicht nur in der verminderten Bewegungsmöglichkeit, sondern auch in einer inzwischen eingetretenen Inkontinenz und der notwendigen Implantation eines Hüftgelenks auch rechts zeige, hält die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 € für angemessen. Nach einer mit Schriftsatz vom 27.08.2009 erfolgten Klagerweiterung beantragt die Klägerin nunmehr,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 80.000,00 € , nebst Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2006 zu zahlen.

2. einen derzeit bezifferbaren Schadensersatzbetrag bis August 2009 in Höhe von 21.289,76 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2006 zu zahlen.

3. die von der Klägerin aufgrund mangelnden Entgeltes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Versicherungsnummer xxx und bei der Versicherungsanstalt des Bundes und der Länger zur Versicherungsnummer yyy nicht zahlbaren Rentenversicherungsbeiträge nachzuentrichten und auch zukünftig bis zum Renteneintrittsalter der Klägerin zu entrichten.

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen derzeitigen und auch zukünftigen materiellen Schaden, insbesondere auch im Hinblick auf ihre Einkommenseinbußen und Rentenanwartschaften aus Anlass der Operationen am 16.12.2003, am 18.07.2005 sowie am 19.12.2005 sowie solche zukünftigen immateriellen Schäden, die aus einer heute nicht absehbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin folgen und die auf der streitgegenständlichen Behandlung der Beklagten beruhen, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder andere Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, dass der Bruch des Keramikkopfes schicksalhaft eingetreten sei. Ein derartiger Bruch stelle ein zwar sehr seltenes, aber bekanntes Risiko bei Implantation eines Keramikkopfes dar, über das die Klägerin unstreitig auch aufgeklärt worden ist. Es sei ein originalverpackter Keramikkopf eines namhaften Herstellers verwandt worden. Eine Aufbewahrung des zerbrochenen Kopfes sei nicht geboten gewesen, weil dies für die weitere Behandlung irrelevant gewesen sei.

Die Operation vom 18.07.2005 sei zeitgerecht erfolgt, eine Operation am Wochenende sei nicht geboten gewesen. Trotz aller Sorgfalt könnten Splitter im Gewebe unerkannt verbleiben. Der Beklagte zu 3. habe bei der Operation vom 18.07.2005 die Splitter im Einzelnen herausgesammelt, hierbei habe er teilweise auch die Gelenkinnenhaut entfernt, bis er sich sicher gewesen sei, alle Splitter, soweit möglich, entfernt zu haben. Ein Zusammensetzen des Prothesenkopfes sei aufgrund der Vielzahl der zerborstenen Splitter nicht möglich gewesen. Es habe 2005 dem Standard entsprochen, auf den Konus eines Keramikkopfes eine Metallschaftprothese zu setzen. Es sei nicht fehlerhaft, dass aufgrund des relativ geringen Alters der Klägerin auf einen Austausch auch der Pfanne verzichtet worden sei.

Die Operation vom 19.12.2005 sei in jeder Hinsicht fachgerecht erfolgt.

Die Kammer hat zum Vorliegen eines Behandlungsfehlers gemäß Beweisbeschluss vom 22.01.2008 ein schriftliches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R. eingeholt. Dieses Gutachten wurde am 08.12.2008 erstattet. Insoweit wird auf Blatt 118 ff. der Akten Bezug genommen und anschließend mündlich im Termin vom 04.09.2009 erörtert. Insoweit wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 196 ff. d. A.).

Nach ergänzender Anhörung des Operateurs vom 18.07.2005, den Beklagten zu 3., erfolgte eine ergänzende mündliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. R. im Termin vom 18.12.2009. Auch insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll dieser Verhandlung (Bl. 213 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Der Klägerin steht gegen das beklagte Krankenhaus zu 1. und den Beklagten zu 3. als Operateur der Operation vom 18.07.2005 wegen des dort grob fehlerhaften erfolgten Austausches des zerborstenen Keramikkopfes gegen einen Metallkopf bei Belassen der ursprünglich eingesetzten Keramikpfanne ein Schmerzensgeldanspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2, 278, 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 8.000,00 € sowie ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 1.504,15 € zu. Insoweit sind durch die Beklagten zu 1. und 3. auf die aufgrund dieses Behandlungsfehlers und der hierdurch bedingten Erwerbsunfähigkeit der Klägerin nicht gezahlten Rentenbeiträge in der Zeit vom 06.12.2005 bis 31.01.2006 nachzuentrichten und die Beklagten zu 1. und 3. zum Ersatz möglicher künftiger nicht absehbarer Schäden verpflichtet (I.). Dagegen hat die Klägerin weitere Behandlungsfehler der Beklagten, insbesondere solche, die zum Bruch des Keramikkopfes geführt und die nachfolgenden Revisionsoperationen aufgrund von fortbestehenden Entzündungen der Hüfte verursacht haben, nicht bewiesen (II.).

I. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. war die durch den Beklagten zu 3. vorgenommene Operation vom 18.07.2005 fehlerhaft, weil der Beklagte zu 3. lediglich die zerborstene Keramikpfanne gegen einen Metallkopf austauschte, jedoch die im Jahre 2003 eingebrachte Keramikpfanne unverändert beließ. Denn hierdurch wurde die vermeidbare, erhebliche Gefahr begründet, dass es zum einen durch die fehlende Abstimmung dieser Paarung Metallkopf/Keramikpfanne sowie der Reibung des harten Metallkopfes auf der gebrauchten harten Keramikpfanne und zum anderen durch den Abrieb, den die nicht immer vollständig entfernbaren, verbliebenen Splitter des zerbrochenen Keramikkopfes verursachen, zu einem erheblichen Metallabrieb und in dessen Folge zu einer Entzündung des betroffenen Hüftgelenks kommt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen entsprach dieses Vorgehen bereits im Jahre 2005 nicht dem ärztlichen Standard. Es wurden bezüglich der Behandlung nach dem Bruch eines Keramikkopfes zwar in der Literatur unterschiedliche Behandlungsalternativen diskutiert, die hier durch den Beklagten zu 3. gewählte Verfahrensweise wurde jedoch von keiner Seite vertreten. Die Kombination eines Metallkopfes mit einer gebrauchten Keramikpfanne begründet als sogenannte „Hart/Hart-​Paarung“ die erhebliche Gefahr eines Abriebs des verwendeten Materials und einer hierdurch bedingten Fremdkörperreaktion mit nachfolgenden Entzündungen und der Notwendigkeit von Revisionsoperationen. Wegen dieser Abriebgefahr ist bereits eine Primärimplantation eines künstlichen Hüftgelenkes in dieser Paarung nicht zugelassen, umso mehr gilt dies bei einer Wechseloperation nach dem Bruch eines Keramikkopfes, da hier zusätzlich die Gefahr des Abriebes durch die trotz aller Sorgfalt nicht immer vollständig entfernbaren Keramiksplitter noch erheblich gesteigert ist.

Danach war es vorliegend zwar vertretbar, den Keramikkopf gegen einen bruchsicheren Metallkopf auszutauschen, es hätte aber dann zumindest die Pfanne mit einem Polyäthyleninlay versehen, also eine „Hart/Weich-​Paarung“ gewählt werden müssen, um die Gefahr des Metallabriebes deutlich zu verringern. Dies hätte den Operationsaufwand, so der Sachverständige, auch nur geringfügig vergrößert.

Nach den Ausführungen des Prof. Dr. R. im Rahmen der mündlichen Erörterung des Gutachtens im Termin vom 04.09.2009 ist dieser Behandlungsfehler bei der Operation vom 18.07.2005 auch als grober Behandlungsfehler zu bewerten. Entgegen der noch anders lautenden Bewertung im schriftlichen Gutachten gab der Sachverständige bei der Frage, wie er reagieren würde, wenn einer seiner Ärzte der Behandlung bei dem Bruch eines Keramikkopfes eine Revisionsoperation in gleicher Weise vornehmen würden, an, dass er in diesem Falle „bestürzt“ gewesen wäre und mit dem Patienten sogleich über das weitere Vorgehen gesprochen hätte, ob nämlich die Operation sofort oder erst nach Abwarten der weiteren Entwicklung wiederholt werden sollte. Ein rechtfertigender Grund für die hier erfolgte Vorgehensweise ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. nicht zu erkennen. Es sei bei dieser Prothesenpaarung vorhersehbar gewesen, dass die nach dem Bruch eines Keramikkopfes ohnehin erhebliche Revisionsrate von 31 % noch zusätzlich weiter gesteigert werde. Die diesbezüglichen Einwendungen der Beklagten in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.1.2010 gaben keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, da diese bereits zuvor vorgetragen und in den mündlichen Anhörungen des Sachverständigen umfassend erörtert worden sind. Die Kammer folgt den sehr differenzierten und umfassend begründeten Ausführungen des Sachverständigen, der als Universitätsprofessor und Chefarzt einer großen Universitätsklinik über überragende Sachkunde in dem zu beurteilenden Fachgebiet verfügt.

Danach haften das beklagte Krankenhaus zu 1. und der Beklagte zu 3. als ausführender Operateur für alle auch nur möglicherweise durch diesen Behandlungsfehler verursachten Gesundheitsschäden und Beschwerden der Klägerin. Dies sind zunächst die durch den vermehrten Abrieb des Metallkopfes eingetretene Metallose, d. h. die Reizung und nachfolgende Entzündung des Hüftgelenks durch das abgeriebene metallene Fremdmaterial und die zum Austausch dieser fehlerhaften Paarung erforderliche weitere Operation vom 19.12.2005, in der durch den Beklagten zu 4. nun standardgemäß eine Metallkopf/Polyäthylenpfannen-​Paarung implantiert wurde. Zwar ist auch bei einem sorgfältigen Vorgehen nach Bruch eines Keramikkopfes die künftige Revisionsrate mit 31 % sehr hoch. Da vorliegend jedoch ein grober Behandlungsfehler seitens des Beklagten zu 3. vorliegt, ist die Haftung der Beklagten zu 1. und des Beklagten zu 3. bereits dann begründet, wenn die Operation vom 19.12.2005 bei richtigem Vorgehen auch nur möglicherweise vermeidbar gewesen wäre. Dies war nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. der Fall.

Mit dem Austausch der fehlerhaften Metall/Keramik-​Paarung und der nachfolgenden Ausheilung der OP-​Wunde sind jedoch die unmittelbaren Folgen dieses Behandlungsfehlers beseitigt worden. Der Umstand, dass trotz des Implantatswechsels im weiteren Verlauf keine grundlegende Besserung der Beschwerden der Klägerin auftrat, beruht nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. sowohl in der schriftlichen Stellungnahme als auch in der mündlichen Anhörung im Termin vom 04.09.2009 darauf, dass es durch verbliebene Keramiksplitter immer wieder zu Entzündungen des künstlichen Hüftgelenks kam, die weitere Revisionsoperationen erforderten. Das Verbleiben dieser Keramiksplitter im Operationsgebiet hat seine Ursache jedoch nicht in der fehlerhaften Prothesenpaarung und damit in dem Behandlungsfehler des Beklagten zu 3. (siehe hierzu unter II. 2.), sondern ist Folge des Bruches des Keramikkopfes selbst und dem auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht immer vermeidbaren Verbleiben von Splittern im Gewebe. Dies ist jedoch schicksalhaft eingetreten und beruht nicht auf einem Behandlungsfehler der Beklagten.

Danach sind für die Schmerzensgeldbemessung als Folge der fehlerhaften Implantatpaarung bei der Operation vom 18.07.2005 lediglich die aufgrund der Entzündungsreaktion ab September 2005 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, die dann am 19.12.2005 durchgeführte Revisionsoperation mit dem erneuten Austausch des Metallkopfes und zusätzlichem Wechsel der Pfanne und die nachfolgende Heilungsphase der Operationswunde zu berücksichtigen. Den Beklagten zu 1. und 3. ist danach der Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 18. bis 29.12.2005 und die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 25.10.2005 bis zu dem nach § 287 ZPO zu schätzenden Ende der Heilungsphase nach der ersten Revisionsoperation vom 19.12.2005 am 31.01.2006 zuzurechnen.

In die Schmerzensgeldbemessung fließt auch ein, dass jede weitere Revisionsoperation und ein Wechsel des Implantates mit erhöhten Risiken verbunden ist und die Implantation eines neuen künstlichen Hüftgelenks nicht unbegrenzt oft möglich ist. Dabei wiegt bei der mit nun 59 Jahren für ein künstliches Hüftgelenk relativ jungen Klägerin eine vermeidbare erneute Wechseloperation, wie sie durch die fehlerhafte Operation vom 18.07.2005 verursacht worden ist, umso schwerer. Die Kammer hält für die oben genannten durch die Beklagte zu 1. und den Beklagten zu 3. zu verantwortenden Gesundheitsschäden ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € für angemessen, aber auch für ausreichend. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass entgegen der Ansicht der Klägerin die Beklagten zu 1. und 3. nicht für den Bruch des Keramikkopfes als solchen und auch nicht für die trotz der Revisionsoperation vom 19.12.2005 weiter fortbestehenden Entzündungen und weiteren Revisionsoperationen mit der festgestellten dauernden Erwerbsunfähigkeit der Klägerin verantwortlich sind (siehe hierzu unten II.), sondern lediglich für die Beschwerden über den Zeitraum von fünf Monaten, d. h. von September 2005 bis Ende Januar 2006, und der vermeidbaren Wechseloperation vom 19.12.2005 haften. Unter Zugrundelegung auch ähnlicher Entscheidungen in der Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, VersR 1996, S. 712, zitiert in Schmerzensgeldbeträge Hacks/ Ring/ Böhm, Nr. 27.1245; OLG Oldenburg vom 12.11.1996, 5 U 60/96, zitiert in Schmerzensgeldbeträge Hacks/ Ring/ Böhm, Nr. 27.1500) ist der zuerkannte Schmerzensgeldbetrag ausreichend.

Darüber hinaus haben die Beklagten zu 1. und der Beklagte zu 3. als Gesamtschuldner der Klägerin die durch den vermeidbaren Krankenhausaufenthalt vom Dezember 2005 entstandenen Kosten als Schadensersatz zu ersetzen. Dies sind zunächst die in der Anlage 14 im Einzelnen aufgeführten Fahrten zu Behandlungen in den Krankenhäusern H. und bei der Beklagten zu 1. sowie zu Dr. C. in der Zeit vom 15.09.2005 bis zum 26.01.2006, dies sind insgesamt 712 km. Bei einer zugrunde zu legenden km-​Pauschale von 0,30 € errechnet sich insoweit ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 712 km x 0,30 € = 213,60 €.

Des Weiteren haben die Beklagten zu 1. und 3. den mit der Anlage 18 belegten Eigenanteil der Krankenhausbehandlung vom 18. bis 29.12.2005 in Höhe von 120,00 € der Klägerin zu erstatten. Darüber hinaus kann die Klägerin für die Besuche ihres Ehemannes während dieses Krankenhausaufenthaltes die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 200,00 € für Fahrtkosten ersetzt verlangen. Denn bei Zugrundelegung der Entfernung für Hin- und Rückfahrt von 68 km und einer km-​Pauschale von 0,30 € errechnet sich dieser geltend gemachte Betrag bereits für sechs Besuche im Krankenhaus. Diese Anzahl ist bei einem Aufenthalt von 11 Tagen während der Weihnachtsfeiertage angemessen. Darüber hinaus haben die Beklagten zu 1. und 3. der Klägerin die für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung notwendigen Kosten für die Anfertigung von Kopien in Höhe von 50,23 € (Anlage K 16) sowie die von der Rechtsschutzversicherung angerechnete Selbstbeteiligung der Klägerin in Höhe von 150,00 € zu erstatten. Soweit die Klägerin hier einen Betrag in Höhe von 300,00 €, also 2 x 150,00 €, geltend macht, ist dieser Betrag nicht hinreichend belegt, da gerichtsbekannt ist, dass für einen Haftungsfall, wie er hier vorliegt, die Selbstbeteiligung nur einmal zu erbringen ist.

Schließlich haben die Beklagten zu 1. und 3. den der Klägerin aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab dem 25.10.2005 bis zu dem nach § 287 ZPO geschätzten Ende der Heilungsphase nach der Revisionsoperation vom 19.12.2005 am 31.01.2006 verursachten Verdienstausfall zu erstatten. Unstreitig hat die Klägerin ab dem 06.12.2005 nach Ende der 6-​wöchigen Frist des vollen Lohnersatzes nur Krankengeld in Höhe von 1.407,60 € im Dezember 2005 und in Höhe von 1.428,00 € im Januar 2006 erhalten. Bei einem durchschnittlichen Arbeitseinkommen für diesen Zeitraum von (2 x 1.678,30 € =) 3.335,60 € errechnet sich ein Verdienstausfall für diese beiden Monate in Höhe von 521,00 €. Des Weiteren ist als Verdienstausfall der mit der Anlage K 19 belegte ZV-​Arbeitnehmerbeitrag in Höhe von 249,32 € zu erstatten. Insgesamt errechnet sich aus den oben genannten Positionen ein zuzusprechender Schadensersatzbetrag in Höhe von 1.504,15 €.

Für den Zeitraum des zurechenbaren Verdienstausfalls der Klägerin vom 06.12.2005 bis 31.01.2006 haben die Beklagten zu 1. bis 3. darüber hinaus die Rentenversicherungsbeiträge nachzuentrichten.

Schließlich ist bezogen auf diesen festgestellten Behandlungsfehler einer fehlerhaften Prothesenpaarung bei der Operation vom 18.07.2005 der Feststellungsantrag der Klägerin teilweise begründet. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. ist aufgrund der fehlerhaften Implantation einer Metall/Keramik-​Paarung eine Metallose bei der Klägerin verursacht worden, die durch die Operation vom 19.12.2005 zwar weitgehend, aber doch nicht vollständig beseitigt werden konnte, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Metallabriebspuren im Gewebe verblieben sind. Auch sind im Hinblick auf die Verursachung einer vermeidbaren weiteren Wechseloperation hinsichtlich des künstlichen Hüftgelenks in Zukunft weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin denkbar, sodass bezogen auf den festgestellten Behandlungsfehler dem Feststellungsantrag stattzugeben war.

II. Wegen der weiteren Klaganträge, insbesondere bezüglich der geltend gemachten Haftung der Beklagten zu 1. und zu 2. für den Bruch des Keramikkopfes sowie der Beklagten zu 1., 3. und 4. für die nachfolgenden Entzündungen und der weiteren Revisionsoperationen, war die Klage jedoch abzuweisen, da die Klägerin insoweit einen Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte nicht bewiesen hat.

1. Die Operation vom 16.12.2003/Der Bruch des Keramikkopfes

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks mit der Operation vom 16.12.2003 aufgrund des damaligen Beschwerdebildes der Klägerin indiziert war. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. war auch die Wahl eines Keramikersatzes nicht fehlerhaft, weil dieses Material üblicherweise einen geringeren Abrieb zeigt und daher gerade für jüngere Patienten wie die Klägerin geeignet ist. Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass der in der Nacht vom 14. auf den 15.07.2005 eingetretene Bruch des Keramikkopfes auf einen Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1., insbesondere des Beklagten zu 2., beruht. Allein aus dem Umstand, dass der Keramikkopf nur 20 Monate nach der Implantation des künstlichen Gelenks gebrochen ist, folgt noch nicht, dass dies auf einem Operations- oder Materialfehler der verwendeten Prothese - für den letzteren würden die Beklagten zu 1. und 2. ohnehin nur im Falle seiner Erkennbarkeit haften - beruht. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. stellt der Bruch eines Keramikkopfes nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenks ein bekanntes, wenn auch sehr seltenes (nach Literaturangaben beträgt dieses zwischen 0,01 % bis 1,7 %) Risiko dar, über das die Klägerin unstreitig aufgeklärt worden ist. Zwar ist es nach den Ausführungen des Prof. Dr. R. möglich, dass der Bruch der Keramik im Jahr 2005 durch einen Materialfehler oder eine behandlungsfehlerhafte Implantation, z. B. einem Verkanten der Prothese, die nachfolgend Spannungen verursacht und zum Bruch des Gelenkkopfes führt, verursacht worden ist. Die genaue Ursache des Bruches ist aber für den Sachverständigen nicht feststellbar. Dies wäre unter Umständen anhand des Ausmaßes und der Gleichmäßigkeit des Abriebes des zerbrochenen Keramikkopfes dann feststellbar gewesen, wenn hinreichend große Teile gesichert worden wären. Vorliegend ist jedoch der Keramikkopf nach den Angaben des Operateurs vom 18.07.2005, dem Beklagten zu 3., in viele zum Teil winzigste Teile zerbrochen, sodass es nicht möglich war, den zerbrochenen Keramikkopf zusammenzulegen und so auf seine Vollständigkeit zu überprüfen.

Allein aufgrund der Vernichtung des Keramikkopfes ist entgegen der Ansicht der Klägerin eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Vorliegens eines Behandlungsfehlers bei der Operation vom 16.12.2003 nicht begründet. Zwar bestand nach der Medizinproduktesicherheitsplanverordnung die Pflicht, den zerborstenen Keramikkopf zu sichern und den Vorfall zu melden, es bestand jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. aus therapeutischen Gründen kein Anlass, den Kopf aufzubewahren. Danach sind die Voraussetzungen einer Umkehr der Beweislast wegen Verletzung von Dokumentationspflichten nicht erfüllt. Selbst bei dem Verlust von aus therapeutischen Gründen aufzubewahrenden Befunden wird im Übrigen nach der Rechtsprechung eine Umkehr der Beweislast bezüglich des Vorliegens eines Behandlungsfehlers nur dann angenommen, wenn zugleich eine Wahrscheinlichkeit für einen Fehler spricht (BGHZ 132, 47 ff.; BGH, NJW 1996, S. 21; OLG Hamm, NJW-​RR 2003, S. 807 ff.). Daran fehlt es hier. Denn neben dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers bei der Implantation sind auch diverse andere Ursachen für den Bruch des Keramikkopfes denkbar wie z. B. ein nicht erkennbarer Materialfehler oder der Eintritt von nicht vermeidbaren Spannungen des Materials, für die die Beklagten zu 1. und 2. nicht verantwortlich sind.

2. Der Zeitpunkt der Operation vom 18.07.2005 und das Unterlassen einer totalen Synovektomie

Schließlich ergibt sich ein weiterer Behandlungsfehler des Beklagten zu 3. bei der Operation vom 18.07.2005 weder aus dem Umstand, dass die Operation erst am Montag, und damit drei Tage nach der Feststellung des Bruches des Keramikkopfes am Freitag, 15.07.2005, durchgeführt wurde noch aus dem Umstand, dass unstreitig eine vollständige Synovektomie unterlassen worden ist. Zwar ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. eine Revisionsoperation zur Entfernung des zerbrochenen Keramikkopfes alsbald durchzuführen, um ein Weiterwandern der Keramiksplitter in das umliegende Gewebe möglichst zu vermeiden. Der Zeitpunkt von drei Tagen für die Durchführung dieser Operation ist aber noch vertretbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich an die Feststellung des Bruches des Keramikkopfes das Wochenende anschloss, in dem das Stammpersonal, das für die Durchführung einer derartig schwierigen und komplikationsreichen Operation wie das Wechseln eines zerborstenen Keramikkopfes zu fordern ist, nicht verfügbar war. Hinzu kommt, dass nach der erst am Freitag erfolgten Diagnostik weitere notwendige Voruntersuchungen und einer Nahrungskarenz der Patientin für eine Operation erforderlich waren, sodass ohnehin am Freitag eine Operation nicht hätte durchgeführt werden können. Es ist damit vorliegend ab der Diagnosestellung nur eine Verzögerung von zwei Tagen eingetreten.

Des Weiteren sieht der Sachverständige Prof. Dr. R. es nicht als behandlungsfehlerhaft an, dass der Beklagte zu 3. bei der Operation vom 18.07.2005 eine totale Synovektomie, also eine vollständige Entfernung der Gelenkinnenhaut, unterlassen hat.

So gab der Beklagte zu 3. in seiner persönlichen Anhörung vor der Kammer im Termin am 18.12.2009 an, dass der Keramikkopf in mehrere große und kleine Splitter zerborsten war. Diese Splitter habe der Beklagte zu 3. mit einer Pinzette entfernt und zwischendurch immer wieder den Wundbereich gespült. Soweit er in der Schleimhaut kleine und große Splitter gesehen habe, habe er die Schleimhaut teilweise entfernt. Den Umfang dieser subtotalen Synovektomie hat der Beklagte zu 3. mit einem Drittel oder einem Viertel der Schleimhaut geschätzt. Der Beklagte zu 3. habe schließlich mehrfach die Schleimhaut betupft und befühlt, bis er sich sicher gewesen sei, dass keine erkennbaren Splitter mehr vorhanden gewesen seien. Ein Zusammensetzen des zerbrochenen Keramikkopfes, um so seine vollständige Entfernung zu überprüfen, sei angesichts der Vielzahl der Bruchstücke nicht möglich gewesen.

Dieses von dem Beklagten zu 3. vorgetragene Vorgehen bei der Operation, insbesondere die Vornahme einer partiellen Synovektomie ist allerdings im Operationsbericht vom 18.07.2005 nicht erwähnt. Dort heißt es lediglich: „Der Keramikkopf ist in mehrere Einzelteile zerborsten, die minutiös herausgesammelt und –gespült werden.“.

Es handelt sich diesbezüglich jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. im Termin vom 18.12.2009 nicht um einen Dokumentationsfehler, der nach der Rechtsprechung die Vermutung begründet, dass nicht dokumentierte, aber dokumentationspflichtige Maßnahmen nicht erfolgt sind (grundlegend BGHZ 99, 391 (396 f.)). Zwar würde der Sachverständige verlangen, dass eine partielle Synovektomie im Operationsbericht erwähnt werde, um hiermit zu dokumentieren, „dass man alles richtig gemacht habe“. Die Beweiserleichterung nach der oben genannten Rechtsprechung greift aber nicht bereits bei Verletzung einer forensisch gebotenen Dokumentationspflicht, sondern erst dann ein, wenn die Dokumentationspflicht aus therapeutischen Gründen besteht, weil beispielsweise diese Information für den Nachbehandler von Bedeutung ist.

Dies ist jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. nicht der Fall. Für den Nachbehandler ist im Falle eines Fortbestehens der Schmerzen im Hüftgelenk nach einer solchen Operation, die generell mit einer hohen Revisionsrate verbunden ist, die Vornahme einer Synovektomie ohne Bedeutung. Vielmehr hat der Nachbehandler aufgrund der Erhebung eigener diagnostischen Maßnahmen über sein weiteres Vorgehen zu entscheiden, indem er insbesondere neben der klinischen Untersuchung eine Punktion des Gelenkes vornimmt oder Betäubungsmittel in das betroffene Gelenk injiziert, um hieraus weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Selbst das Vorliegen einer vollständigen Synovektomie schließt nämlich nicht aus, dass nicht doch weiter Splitter im Gelenk verblieben sind, die entzündliche Reaktionen hervorrufen.

Die Vornahme einer nur partiellen Synovektomie, wie sie hier vom Beklagten zu 3. vorgetragen worden ist, stellt nach Prof. Dr. R. keinen klaren Standardverstoß dar, insbesondere wenn die Operation, wie hier erfolgt, in relativ kurzer Zeit nach der Entdeckung des Bruches des Keramikkopfes binnen drei Tagen vorgenommen wird. Danach steht bezüglich des Unterlassens einer vollständigen Synovektomie durch den Beklagten zu 3. ein grober Behandlungsfehler nicht fest. Nur ein solcher würde der Klägerin jedoch im Hinblick auf die dann eingreifende Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden weiterhelfen. Denn es steht nicht fest, dass das Unterlassen einer vollständigen Synovektomie zu vermeidbarem Verbleiben von Keramiksplittern im Gelenk geführt und damit die nachfolgenden Entzündungen und Revisionsoperationen vermieden hätte. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. R. lässt sich nämlich nie ausschließen, dass trotz einer sorgfältigen Entfernung aller sichtbaren Splitter und auch bei Abtragen der vollständigen Gelenkinnenhaut nicht doch Splitter verblieben sind, die im weiteren Verlauf eine Fremdkörperreaktion auslösen und einen Austausch des künstlichen Hüftgelenks erfordern. Selbst bei einer vollständigen Synovektomie beträgt nach der Literatur die Revisionsrate immerhin noch 19 %.

Es bleibt mithin dabei, dass das beklagte Krankenhaus zu 1. und der Beklagte zu 3. lediglich für die Verwendung der fehlerhaften Prothesenpaarung Metallkopf/gebrauchte Keramikpfanne verursachten Gesundheitsschäden haften, und damit für die weitere Operation vom 19.12.2005, nicht jedoch für die ungleich schwerwiegenderen Folgen der fortbestehenden Entzündung durch verbliebene Keramiksplitter und die Notwendigkeit weiterer Revisionsoperationen, die schließlich die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit der Klägerin verursacht haben.

 3. Die Operation vom 19.12.2005

Bezüglich der Operation vom 19.12.2005 hat der Sachverständige Prof. Dr. R. keinen Behandlungsfehler des Beklagten zu 4. festgestellt. Standardgemäß erfolgte hier eine vollständige Synovektomie und auch der von dem Sachverständigen bereits für die Operation vom 18.07.2005 angeratene Wechsel des Kopfes in einen Metallkopf mit einer Polyäthylenpfanne.

III. Die Zinsforderung folgt aus den §§ 291, 288 BGB, nachdem die Beklagten durch ihren Versicherer mit Schreiben vom 23.03.2006 Ersatzansprüche ablehnten.

IV. Die prozessuale Kostenentscheidung richtet sich, unter Beachtung der hier anzuwendenden Baumbach'schen Regel nach § 92 Abs. 2 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §709 ZPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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