Orthopäde darf Chirurgin als Entlastungsassistentin einsetzen(2.11.2023) Ein Sicherstellungsassistent muss nicht über eine abgeschlossene Weiterbildung verfügen. Er muss damit auch nicht demselben Fachgebiet angehören wie der Vertragsarzt, dessen Tätigkeit er sicher stellt. Das Gericht verpflichtete daher die KV Bayern, dem antragstellenden Vertragsarzt (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) eine Genehmigung für die Beschäftigung der Sicherstellungsassistentin (Fachärztin für Chirurgie) zu erteilen (Sozialgericht München, Urteil vom 16.5.2023 - S 43 KA 98/22). 

Der Fall:

Ein in eigener Praxis tätiger Vertragsarzt (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) beantragte bei der beklagten KV Bayern die Genehmigung der Anstellung einer Sicherstellungsassistentin (Fachärztin für Chirurgie) zwecks Kindererziehung für die Dauer von 12 Monaten mit einem Umfang von 4 Stunden pro Woche. Dies lehnte die KV ab, denn die Sicherstellungsassistenz erfordere, dass der Arzt und sein Sicherstellungsassistent demselben Fachgebiet angehörten.

Dagegen klagte der Vertragsarzt.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht München gab dem Arzt Recht und verurteilte die beklagte KV, die gewünschte Genehmigung für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Maßgeblich waren dafür folgende Gründe:

  • § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV erfordert seinem Wortlaut nach lediglich, dass der Sicherstellungsassistent approbiert ist, was hier der Fall ist
  • anders als beim Vertreter, der demselben Fachgebiet angehören muss, fordert die Ärzte-ZV für den Sicherstellungsassistenten keine Fachgebietsgleichheit 
  • die unterschiedlichen Anforderungen an Vertreter und Assistent sind auch begründet, da beide verschiedene Aufgaben erfüllen: der Vertreter vertritt den Arzt vollständig, währen der Assistent ein Arzt ist, der unter (An-)Leitung und Aufsicht des Vertragsarztes gleichzeitig mit diesem oder neben diesem tätig wird
  • gerade angesichts zunehmender personeller Engpässe im (niedergelassenen) ärztlichen Bereich dürfte es sinnvoll sein, die Beschäftigung von Sicherstellungsassistenten eher zu fördern als einzuschränken
  • auch das Sozialgericht Marburg verneinte das Erfordernis einer Fachgebietsidentität (SG Marburg, 19.03.2008 - S 12 KA 520/07)

Praxisanmerkung:

Die Tätigkeit eine Sicherstellungsassistenten (auch Entlastungsassistent genannt) kann von einem Vertragsarzt aus ganz verschiedenen Gründen beantragt werden:

  • u.a. zur Kindererziehung
  • zur Pflege von Angehörigen
  • zwecks Urlaub
  • zur Teilnahme an Fortbildungen
  • wegen Erkrankung
  • zur Erfüllung berufspolitischer Pflichten (z.B. Tätigkeit in Berufsverband, Zulassungsausschuss, Ärztekammer etc.)
  • zur Wahrnehmung von Ehrenämtern

Der Arzt muss die Tätigkeit des Sicherstellungsassistenten aber auch überwachen. Wie weit diese Kontrolle reicht, ist gesetzlich nicht ausdrücklich festgelegt. Für den Arzt ist es der sicherste Weg, wenn er die Dokumentation der vom Assistenten durchgegführten Behandlungen regelmäßig überprüft und mit dem Assistenten regelmäßig Übergabegespräche bzw. Fallbesprechungen durchführt. Wichtig ist auch, dass der Arzt die Leistungsabsrechnung, die von dem Assistenten kodiert wurde, überprüft, denn der Vertragsarzt ist für diese Abrechnung voll verantwortlich. Die Abrechnung der Leistungen von Assistenten und Vertretern erfolgt über die LANR des Vertragsarztes.

Will ein Arzt einen Sicherstellungsassitenten einsetzen, muss er rechtzeitig (ein Vorlauf von mindestens drei Monaten ist einzuplanen) einen hinreichend begründeten schriftliche Antrag bei der zuständigen KV stellen. Viele Kassenärztliche Vereinigungen bieten dafür Formulare auf ihren Internetseiten an. Verpflichtend ist die Nutzung dieser Formulare aber nicht, d.h. der Arzt kann einen Antrag auch selbst formulieren.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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