(28.3.2019) Es ist fehlerhaft, wenn abgerechnete GOÄ-Leistungsziffern nicht den Leistungen entsprechen, die der Arzt jedenfalls teilweise erbracht hat (hier: mehrfacher Ansatz der "homöopathischen Erstanamnese" in einem Jahr, Ansatz der "homöopathischen Erstanamnese" bei schlichtem Anamnesegespräch etc.). Fehlerhaft ist auch die Abrechnung von Luftnummern, sprich tatsächlich nicht erbrachten Behandlungen oder von Leistungsziffern, die nach der GOÄ nicht abrechnungsfähig sind oder das Ansetzen von Gebührenposition nach GOÄ mit anderem Leistungsinhalt als in der GOÄ vorgesehen. Abrechnungsfehlerhaft, aber minder schwer wiegend ist es, wenn der Arzt Leistungen unberechtigterweise als Analogziffern abrechnet. Analogziffern müssen auch als solche gekennzeichnet werden (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 12. Februar 2019 – 90 K 4.18 T). 

Fehlerhafte GOÄ-Abrechnung führt zu Geldbuße des ArztesPraxisanmerkung:

Die Gesprächsziffer bei Homöopathie ist eine der wenigen lohnenden Gesprächsziffern der GOÄ, weshalb auch mancher Arzt homöopathische Leistungen anbietet, obgleich diese medizinisch wirkungslos sind, wenn man den Placebo-Effekt herausrechnet.

Analogziffern kann der Arzt nicht willkürlich bilden, auch nicht unter Hinweis daraf, dass die GOÄ veraltet ist. Wann eine Analogziffer gebildet oder verwendet werden kann, ist zwar in § 6 II GOÄ geregelt. Es ist aber schwer für den Arzt, selbst zu beurteilen, ob die komplexen Voraussetzungen für die Bildung einer neuen Analogziffer oder für die Anwendung einer nekannten Analogziffer vorliegen. Der sicherste Weg für den Arzt ist es, sich anwaltlich beraten zu lassen. 

In Abrechnungsfragen ist eine ordentliche Dokumentation wichtig, um streitige Leistungen belegen zu können. Da die Dokumentation im vorliegenden Fall mangelhaft war, ist dem Arzt dieser Nachweis hier nicht gelungen. 

Tenor

Gegen den Beschuldigten wird eine Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro verhängt.

Der Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beschuldigten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Einleitungsbehörde durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Einleitungsbehörde vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Einleitungsbehörde wirft dem Beschuldigten als Berufsvergehen im Wesentlichen die Abrechnung privatärztlicher Leistungen vor, die er entweder nicht erbracht hat oder jedenfalls nicht nach den in den Rechnungen angeführten Kennziffern der Gebührenordnung für Ärzte in unmittelbarer Anwendung oder analog hätte abrechnen dürfen.

Der am … in … geborene Beschuldigte ist geschieden und hat einen volljährigen Sohn. 1981 schloss er das entsprechende Studium als Diplombiologe ab. Er ist seit dem 24. März 1988 im Besitz der ärztlichen Approbation und betrieb ab dem 1. November 2006 in der in Berlin mit einem weiteren Arzt eine privatärztliche Praxis im Bereich der Präventivmedizin sowie das „ “.

Berufsrechtlich ist der Beschuldigte nicht vorbelastet.

Die Patienten … und … beschwerten sich im Januar bzw. Mai 2013 bei der Einleitungsbehörde über das Verhalten des Beschuldigten und dessen Rechnungen. Die Einleitungsbehörde führte auf der Grundlage des Vorstandsbeschlusses vom 10. März 2014 das Untersuchungsverfahren durch. Noch vor dessen Abschluss durch Vorlage des Abschlussberichtes durch den Untersuchungsführer am 3. November 2015 zeigte sich der Beschuldigte im Oktober 2015 bei der Staatsanwaltschaft Berlin selbst an. Das Strafgericht ließ am 6. Juni 2017 die Anklage zum Hauptverfahren zu. In der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2017 hörte die Strafrichterin insbesondere die Zeugen… und Der als Zeuge geladene Patient … war nicht erschienen. Die Strafrichterin stellte mit Zustimmung aller Beteiligten das Verfahren nach der Beweisaufnahme gemäß § 153 Abs. 2 StPO ein, weil eine etwaige Schuld des Angeklagten gering wäre

Dem Beschuldigten wird nach dem Eröffnungsbeschluss vom 20. März 2018 zur Last gelegt,

in Berlin in der Zeit zwischen Mai und Juli 2012 sowie zwischen Oktober und Dezember 2012 vorsätzlich oder fahrlässig seinen Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen nicht entsprochen zu haben, privatärztliche Leistungen entgegen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet und über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen nicht die erforderlichen Aufzeichnungen gemacht zu haben, und dadurch seine Berufspflichten als Arzt verletzt zu haben

Die Einleitungsbehörde hält dem Beschuldigten im Einzelnen folgendes vor:

1. Der Beschuldigte habe es im Mai und Juni 2012 unterlassen, Herrn... und Herrn... zutreffend über die voraussichtlichen Kosten für die diesen empfohlenen nicht der evidenzbasierten Medizin entsprechenden privatärztlichen Behandlungen zu informieren.

2. Der Beschuldigte habe Herrn...…, Herrn...… und Herrn...… als seinen Patienten mit Rechnungen vom 3. Juli, 26. Juli, und 18. Dezember 2012 ärztliche Leistungen, die er nicht erbracht habe, mit einem Betrag von insgesamt 785,11 Euro privatärztlich in Rechnung gestellt. Herrn...… habe er unter dem 3. Juli 2012 zudem Aufwendungen für einen Flug in Höhe von 200,00 Euro berechnet, die für die betreffende ärztliche Beratung und Behandlung nicht entstanden seien.

3. Der Beschuldigte habe mit Rechnungen vom 3. und 26. Juli 2012 für einzelne Leistungen Gebührenpositionen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet, ohne die entsprechende Anwendung der Gebührenpositionen als solche zu kennzeichnen. Er habe für die Leistung der „Bioelektrischen Impedanzanalyse“ jeweils eine Gebührenposition nach GOÄ mit anderem Leistungsinhalt angesetzt, ohne dass die Voraussetzungen für den entsprechenden Ansatz dieser Gebührenposition nach GOÄ für die „Bioelektrische Impedanzanalyse“ erfüllt gewesen seien.

4. Der Beschuldigte habe es unterlassen, die im Juni 2012 erfolgten Behandlungen des Herrn...… und des Herrn...… vollständig ärztlich zu dokumentieren.

Der Beschuldigte rügt, das berufsrechtliche Verfahren vor der Ärztekammer leide an wesentlichen Mängeln. Insbesondere sei das Untersuchungsverfahren durchgeführt wurden, ohne zuvor bei den Patienten Entbindungen von der ärztlichen Schweigepflicht einzuholen, entlastende Gesichtspunkte seien gänzlich ausgeblendet worden und die Dauer des Untersuchungsverfahrens sei insgesamt unangemessen lang.

Die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO, die das Strafverfahren ohne Schuldspruch beende, lasse die Schuldfrage offen. Im Zusammenhang mit Strafverfahren sei für das berufsrechtliche Verfahren darauf hinzuweisen, dass es nach Abschluss eines Strafverfahrens eines berufsrechtlichen Überhanges bedürfe. Daran fehlte es, wenn - wie hier - der Berufsrechtsverstoß durch die Sanktion aus dem Strafverfahren bereits hinreichend kompensiert sei.

Die Behandlung der Patienten … sei - im Gegensatz zu den Ausführungen der Einleitungsbehörde - über das übliche Maß der ärztlichen Behandlung hinausgegangen und damit quantitativ und qualitativ weit über dem berufsrechtlich geschuldeten ärztlichen Standard erfolgt.

Es dürfe unstrittig sein, dass die zwingende Notwendigkeit zur umfassenden Überarbeitung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bestehe. Die offensichtlichen Mängel einer veralteten Gebührenordnung seien daher ungeeignet, ein berufsrechtliches Verfahren gegen Ärzte dann zu führen, wenn die Anwendung einzelner Gebührenziffern auch im Sinne des Anwenders ausgelegt werden könne. Die Möglichkeit der Analogberechnung sei in § 6 Abs. 2 GOÄ geregelt. Voraussetzung einer analogen Anwendung sei die Erbringung einer nicht im Gebührenverzeichnis der GOÄ enthaltenen Leistung („Regelungslücke"), eine selbständige Leistung und die Wahl einer GOÄ-​Position, die nach Art, Kosten und Zeitaufwand der erbrachten Leistung möglichst nahekomme. Die Bildung einer analogen Bewertung liege im Ermessen des ärztlichen Leistungserbringers selbst. Daher seien die angegebenen Leistungsziffern jedenfalls im Wege einer analogen Bewertung gerechtfertigt. Ein berufsrechtlicher Verstoß könne mithin allenfalls in einem Dokumentationsmangel bestehen.

Der Beschuldigte beantragt, ihn freizusprechen

hilfsweise, gegen ihn eine Verwarnung zu verhängen, die die lange Verfahrensdauer und seine Belastung durch das Strafverfahren berücksichtigt.

Die Einleitungsbehörde beantragt,

gegen den Beschuldigten eine Geldbuße zu verhängen, deren Höhe sie in das Ermessen der Kammer stellt.

Die Einleitungsbehörde meint, der Beschuldigte habe Verstöße gegen seine Berufspflichten begangen, die eine Geldbuße erforderlich machten.

Insbesondere sei für die Bemessung der ärztlichen Honorarforderung für die ärztlichen Leistungen gemäß § 12 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (BO) die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Grundlage. Allerdings seien Gebühren nach § 4 Abs. 1 GOÄ grundsätzlich nur für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig. Die ansatzfähigen Gebührenpositionen des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ seien nicht frei wählbar. Die Bildung von Analogpositionen für selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen worden seien, stehe nicht im Belieben des Arztes.

Dass eine den aktuellen Umständen Rechnung tragende GOÄ-​Novelle bisher noch nicht erfolgt sei, entbinde den Beschuldigten nicht von seiner Pflicht, sich an die derzeit noch geltende GOÄ zu halten, gerade auch zugunsten der Klarheit und Transparenz den zahlungspflichtigen Patienten gegenüber.

Mit Blick auf die Berechnung nicht erbrachter bzw. nicht angefallener Gebührenpositionen ergebe sich insgesamt ein schuldhaftes berufsrechtliches Vergehen, das es erfordere, gegen den Beschuldigten eine berufsgerichtliche Maßnahme zu verhängen, die ihn nachhaltig zu einer korrekten privatärztlichen Abrechnung seinen Patienten gegenüber anhalte.

Die Aufsichtsbehörde hat keinen Antrag gestellt und war im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten.

Dem Berufsgericht lagen neben der Gerichtsakte die Verwaltungsvorgänge der Einleitungsbehörde als Beiakten vor sowie die Akten des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten, deren Inhalt – soweit von Bedeutung – Gegenstand der Hauptverhandlung und Beratung war. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der Hauptverhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Nach § 92 des Berliner Heilberufekammergesetz (BlnHKG) vom 2. November 2018 (GVBl. 2018, 622) sind auf Berufsvergehen, die - wie in dem vorliegenden Verfahren - vor dem 30. November 2018 begangen worden sind, die bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechtsvorschriften (§ 94 Absatz 2 Nummer 1) weiterhin anzuwenden. Nach § 94 Absatz 2 Nummer 1 BlnHKG ist damit das das Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Berliner Kammergesetz - KammerG) in der Fassung vom 4. September 1978 (GVBl. S. 1937), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 9. Mai 2016 (GVBl. S. 226) geändert worden ist, gemeint.

Auf dieser Grundlage sind auf das berufsgerichtliche Verfahren, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, gemäß § 24 KammerG die Vorschriften über das Disziplinarverfahren gegen die Landesbeamten und auf dieser Grundlage gemäß § 3 Disziplinargesetz (DiszG) die Bestimmung der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) jeweils entsprechend anzuwenden.

Das Berufsgericht kann daher trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Aufsichtsbehörde in der Hauptverhandlung verhandeln und entscheiden, weil auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung ausdrücklich hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 3 DiszG und § 24 KammerG).

Die von dem Beschuldigten gerügten Mängel des behördlichen Untersuchungsverfahrens sind unerheblich. Nach § 24 des Berliner Kammergesetzes i. V. m. § 41 DiszG, § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Satz 1 BDG können nur wesentliche Mängel gerügt werden. Ein Mangel ist wesentlich im Sinne des § 55 BDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens ausgewirkt haben kann. Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Verfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Vergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 55 Abs. 3 Satz 3 BDG, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 2 C 15/09 – juris Rn. 19).

Solche ergebnisrelevanten Mängel zeigt der Beschuldigte nicht auf. Seine Rügen betreffen den Gang des Verfahrens ohne hinreichend aufzuzeigen, dass und in welcher Weise sie das Ergebnis beeinflussen konnten. Soweit er meint, entlastende Gesichtspunkte seien nicht berücksichtigt worden, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil die Einleitungsbehörde gerade nicht alle Vorwürfe der drei Patienten zum Gegenstand ihrer Anschuldigungsschrift gemacht hat. Sie hat sich vielmehr ersichtlich bemüht, begrenzt und abgestuft dem Beschuldigten nur die Handlungen vorzuwerfen, von denen sie angenommen hat, sie ließen sich dem Beschuldigten nachweisen.

Der Beschuldigte hat sich eines einheitlich zu würdigenden Berufsvergehens schuldig gemacht. Dass er damit eine nach § 17 Abs. 1 KammerG zu ahndende Berufspflichtverletzung begangen hat, ergibt sich aus der Berufsordnung der Berufsordnung der Ärztekammer (BO).

Nach § 2 Abs. 2 BO hat der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Diese Bestimmung greift den Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Berliner Kammergesetzes auf, wonach es insbesondere zu den Berufspflichten gehört, den Beruf gewissenhaft auszuüben.

Die Honorarforderung muss darüber hinaus gemäß § 12 Abs. 1 Satz1 BO angemessen sein. Für die Bemessung ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BO die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. In Übereinstimmung damit sieht § 1 Abs. 1 GOÄ liegt vor, dass die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte sich nach dieser Verordnung bestimmen, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine nicht den Vorschriften der GOÄ entsprechende Abrechnung ist geeignet, einen Verstoß gegen die in § 12 Abs. 1 BO bestimmte Pflicht zur Abrechnung (nur) „angemessener“ Honorarforderungen zu begründen. Ein Arzt darf die Abrechnungstatbestände nach der GOÄ und die darin bestimmten Gebührensätze nicht missachten; er hat bei der Abrechnung seiner Honorare die Bestimmungen der GOÄ sorgfältig zu beachten und gegebenenfalls bestehende Besonderheiten der Gebührenberechnung zu dokumentieren und zu begründen (Berufsgerichtshof für die Heilberufe Schleswig, Urteil vom 16. März 2016 – 30 LB 2/15 BG II – juris Rn. 25). Eine Abweichung von der Gebührenhöhe ist nur unter den Voraussetzungen des § 2 GOÄ durch eine schriftliche Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes möglich.

Auf dieser Grundlage erweisen sich die Rechnungen vom 3. Juli, 26. Juli, und 18. Dezember 2012 fast durchgehend als fehlerhaft, weil die dort angeführten Leistungsziffern des Gebührenverzeichnis zur GOÄ nicht den Leistungen entsprechen, die der Beschuldigte jedenfalls teilweise erbracht hat. Darüber hinaus kommt im erheblichen Umfang für die tatsächlich erbrachten Leistungen auch eine analoge Anwendung der Ziffern des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ nicht in Betracht.
38 Die Kammer geht davon aus, dass die Behandlungsunterlagen der Patienten, die sich in Ablichtungen in den Verwaltungsvorgängen der Einleitungsbehörde befinden, in wesentlicher Hinsicht vollständig sind. Aus dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der teilweise geständigen Einlassung des Beschuldigten insbesondere in der mündlichen Verhandlung lässt sich feststellen, dass bei den Patienten im Einzelnen die dem Beschuldigten vorgeworfenen und im Folgenden dargestellten Fehler bei der Abrechnung vorlagen bzw. abrechnungsfähige Leistungen nicht erbracht wurden:

Bei dem Patienten weist die Anschuldigungsbehörde hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für Flugkosten in der Rechnung vom 3. Juli 2012 überzeugend auf § 9 Abs. 1 GOÄ hin. Danach kann der Arzt für „Besuche“ über eine Entfernung von mehr als 25 Kilometern zwischen der Praxisstelle des Arztes und der Besuchsstelle eine Reiseentschädigung fordern. Ein „Besuch“ liegt vor, wenn der Arzt einen Patienten an einem Ort aufsucht, an dem der Arzt üblicherweise seine berufliche Tätigkeit nicht ausübt. Der GOÄ lässt sich indessen entnehmen, dass ein „Besuch“ nur vorliegt, wenn sich der Arzt zum Patienten begibt, also im Allgemeinen dorthin, wo der Patient lebt. Nach dem Gebührenverzeichnis zur GOÄ werden der Besuch „eines Patienten“ in einer Pflegestation (Nr. 48) bzw. das „Aufsuchen“ eines Patienten (Nr. 52) vergütet. Davon gehen die §§ 7 ff. GOÄ ersichtlich aus, indem sie einen „Besuch“ nur annehmen, wenn der Arzt den Patienten in dessen häuslichen Lebensbereich oder - bei einem Notfall - am Notfallort aufsucht. Das wird aus der Berechnung der Entfernung zur „Besuchsstelle“ deutlich, die dem häuslichen Lebensbereich (ersatzweise: dem Notfallort) entspricht. Dem entsprechend stellt die (gem. § 9 Abs. 3 GOÄ auch für die Reiseentschädigung anwendbare) Vorschrift in § 8 Abs. 3 GOÄ über die nur einmalige und anteilige Berechnung der Entschädigung auf Besuche „in derselben häuslichen Gemeinschaft oder in einem Heim“ ab. Ein „Besuch“ des Patienten im Sinne der GOÄ liegt dem entsprechend nicht vor, wenn die ärztliche Tätigkeit an einem Ort erbracht wird, zu dem sich (auch) der Patient erst begeben muss (Berufsgerichtshof für die Heilberufe Schleswig, Urteil vom 16. März 2016 – 30 LB 2/15 BG II – juris Rn. 32 - 35).

Daraus folgt, dass der Ansatz der Flugkosten in der Rechnung vom 3. Juli 2012 nicht gerechtfertigt war. Die Kammer geht davon aus, dass der Beschuldigte dies im Grunde auch eingesehen hat, da diese Position in der korrigierten Rechnung vom 26. Dezember 2012 (Ordner „UV 00002/14“ „Beistück Patientenunterlagen“ Bl. 59) nicht mehr enthalten war.

Bei den unter dem Datum 6. Juni 2012 in der Rechnung vom 3. Juli 2012 aufgeführten Ziffern 30 und 33 des Gebührenverzeichnis zur GOÄ geht die Kammer davon aus, dass der Beschuldigte damit das Anamnesegespräch abrechnen wollte, das er am 23. Mai 2012 mit dem Patienten in München geführt hat. Insoweit findet sich ein entsprechender Vermerk des Beschuldigten in den Patientenunterlagen und der Sache nach wird dies auch durch die E-​Mail des Herrn... … vom 23 Mai 2012 (23:31 Uhr) bestätigt.

Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung der Ziffer 30 und 33 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ lagen nach der jeweils eindeutigen Definition nicht vor. Ziffer 30 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ erfordert eine Erhebung der homöopathischen Erstanamnese mit einer Mindestdauer von einer Stunde nach biographischen und homöopathischindividuellen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung einer homöopathischen Behandlung -einschließlich homöopathischer Repertorisation und Gewichtung der charakteristischen psychischen, allgemeinen und lokalen Zeichen und Symptome des jeweiligen Krankheitsfalls, unter Berücksichtigung der Modalitäten, Alternanzen, Kausal- und Begleitsymptome, zur Auffindung des homöopathischen Einzelmittels, einschließlich Anwendung und Auswertung standardisierter Fragebogen. Ziffer 33 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ ist definiert als eine strukturierte Schulung einer Einzelperson mit einer Mindestdauer von 20 Minuten (bei Diabetes, Gestationsdiabetes oder Zustand nach Pankreatektomie) - einschließlich Evaluation zur Qualitätssicherung unter diabetologischen Gesichtspunkten zum Erlernen und Umsetzen des Behandlungsmanagements, einschließlich der Auswertung eines standardisierten Fragebogens.

Diese Voraussetzungen lagen weder nach der Art der Anamnese noch nach dem Krankheitsbild des Patienten vor. Die Kammer geht daher davon aus, dass es sich um eine bewusste Falschabrechnung handelte, weil auch eine analoge Abrechnung gemäß § 12 Abs. 4 GOÄ nur dann zulässig ist, wenn die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich beschrieben und mit dem Hinweis "entsprechend" sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung versehen ist. Die Annahme einer bewussten Falschabrechnung wird dadurch bestätigt, dass die Rechnung zudem in sich offensichtlich unschlüssig ist. So wird eine homöopathische Erstanamnese nach Ziffer 30 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ zwei Mal innerhalb eines Monats abgerechnet, obwohl sie selbst nach dem Leistungstext in der Rechnung nur einmal jährlich berechnet werden darf. Dies lässt den Schluss zu, dass die Abrechnungsstelle des Beklagten, die nach der sachverständigen Einschätzung der ärztlichen Mitglieder der Kammer Rechnungen auf ihre Schlüssigkeit untersucht, von dem Beschuldigten ausdrücklich dazu angewiesen wurde, in der vorliegenden Form abzurechnen.

Eine Analogabrechnung setzt selbständige ärztliche Leistungen voraus. Die entsprechenden Leistungen dürfen nicht bereits ausdrücklich oder konkludent im Gebührenverzeichnis aufgenommen worden sein (Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, GOÄ § 6 Rn. 5). Soweit die Einleitungsbehörde annimmt, in Betracht kämen allenfalls die Ziffern 1 (Beratung - auch mittels Fernsprecher) oder 3 (Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung - auch mittels Fernsprecher -) geht das Berufsgericht zu Gunsten des Beschuldigten davon aus, dass er sich jedenfalls subjektiv für berechtigt hielt, im Hinblick auf seinen Zeitaufwand höhere Gebühren abzurechnen.

Ferner ergibt sich aus den Patientenunterlagen ein Gespräch mit Herrn... … wegen am 21. Juni 2012 (Bl. 71). Zu den erfassten Gesprächen mit dem Patienten am 18. und 27. Juni 2012 (Bl. 71) finden sich dazu weitere Nachweise (Bl. 154 und 158). Dies spricht dafür, dass die für den 21. Juni 2012 berechnete Ziffer 30 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ mit einem Betrag von 183,60 Euro nicht nur grundsätzlich falsch abgerechnet wurde, weil der Beschuldigte den Patienten nicht homöopathisch behandelt hat, sondern dass er an diesem Tag überhaupt keine Leistungen gegenüber dem Patienten erbracht hat. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Gespräch um eine abrechnungsfähige Leistung im Sinne einer Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) - im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken - handeln könnte (Ziffer 4 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ), ergeben sich aus den Behandlungsunterlagen nicht in einer hinreichenden Weise und sie werden von dem Beschuldigten im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht. Zudem wurde die Ziffer 30 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ als „homöopathische Erstanamnese 1 x jährlich“ schon unter dem 6. Juni 2012 abgerechnet, so dass sie auch aus diesem Grund nicht erneut abgerechnet werden durfte. Im Ergebnis kann bei dem Patienten daher jedenfalls in Höhe eines Betrages von 383,60 Euro ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte überhaupt Leistungen gegenüber dem Patienten erbracht hat, die er für abrechnungsfähig halten konnte.

Für den restlichen Rechnungsbetrag kann zu Gunsten des Beschuldigten unterstellt werden, dass er ärztliche Leistungen erbracht hat, bei denen er allerdings nicht immer hinreichend überprüft hat, ob eine Analog-​Berechnung zulässig ist. Vielmehr geht die Kammer nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er zunächst nach Stundensätzen den Geldbetrag ermittelt hat, den er dem Patienten in Rechnung stellen wollte und dann diesem Betrag Ziffern aus dem Gebührenverzeichnis zur GOÄ zugeordnet hat, die ihm insbesondere der Höhe nach einigermaßen passend erschienen.

Bei dem Patienten lässt es sich nach den Patientenunterlagen jedenfalls nicht ausschließen, dass der Beschuldigte am 18. (oder 19.) und 27. Juni 2012 ärztliche Leistungen erbracht hat, die allerdings überwiegend nicht den angegebenen Ziffern des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ entsprechen. So unterzeichnete der Patient unter dem 18. Juni 2012 den Untersuchungs- und Beratungsauftrag und es liegt eine Tabelle mit Messwerten vom 27. Juni 2012 vor. Zu Gunsten des Beschuldigten kann daher angenommen werden, dass er am 18. bzw. 19. Juni 2012 ein Anamnesegespräch mit dem Patienten führte und diesem am 27. Juni 2012 die Messwerte erläuterte. Entgegen der Einschätzung der Einleitungsbehörde gibt es keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte unter dem Datum 18. Juni 2012 und der Ziffer 645 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ eine Leistung doppelt abgerechnet hat, die er dem Patienten mit der Rechnung vom 20. Juni 2012 als 10 Sitzungen in Cellgym-​Lounch und Maske mit 799 Euro berechnet hat. Vielmehr ist auf der letztgenannten Rechnung ausdrücklich ein Sitzungsbeginn erst am 20. Juni 2012 festgehalten. Ferner hat auch der Patient in seiner Einlassung gegenüber dem Untersuchungsführer vom 17. Mai 2015 angegeben, dass die Behandlung am 19. Juni 2012, also jedenfalls vor dem 20. Juni 2012 begonnen hat.

Bei dem Patienten hat der Beschuldigte persönlich ärztliche Leistungen am 10. Juli 2012 erbracht, als der Patient ihn in seiner Praxis aufgesucht hat. Der Rechnung vom 18. Dezember 2012 liegen hingegen allein Telefongespräche zugrunde. Bei dem Telefongespräch am 19. Oktober 2012 hat der Beschuldigte schon keine eigene Leistung erbracht. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ kann ein Arzt Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er entweder "selbst erbracht" hat oder die - im Falle zulässiger Delegation auf nichtärztliches Personal - "unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht" wurden (eigene Leistungen). Dies lässt sich ausschließen, wenn der Arzt ortsabwesend war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 – juris Rn. 64).

Nach dem Vermerk in den Patientenunterlagen konnte der Patient den Beschuldigten nicht sprechen, weil er außer Haus war. Schon aus diesem Grund liegt der berechneten Ziffer 804 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ, später geändert in Ziffer 3 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ über 20,11 Euro keine tatsächlich von dem Beschuldigten erbrachte Leistung zugrunde. Zudem schließen sowohl die Ziffer 31 (homöopathische Folgeanamnese) als auch die Ziffer 33 (Diabetiker-​Einzelschulung) des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ die Ziffer 3 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ aus. Darüber hinaus erfüllt ein Telefongespräch nicht die Voraussetzungen der Leistungsziffern 30, 31 und 33 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ (Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 31, Rn. 9). Die Kammer geht daher davon aus, dass der Beschuldigte gegenüber dem Patienten keine ärztlichen Leistungen erbracht hat, die er über die für Telefongespräche vorgesehenen Ziffern 1 oder 3 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ hinaus hätte abrechnen können. Auf dieser Grundlage ist in der Rechnung jedenfalls ein Betrag in Höhe von 153 Euro enthalten, dem keine abrechnungsfähige ärztliche Leistung gegenübersteht.

Für fast alle Positionen der drei Rechnungen erweist sich darüber hinaus der Vorwurf der Einleitungsbehörde als zutreffend, dass der Beschuldigte Leistungen entsprechend den Ziffern des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ berechnet hat, ohne die entsprechende Anwendung als solche zu kennzeichnen.

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der im Gebührenverzeichnis zur GOÄ ausgewiesenen Leistungsziffern ergeben sich aus § 6 Abs. 2 GOÄ. Danach können selbständige, nicht im Gebührenverzeichnis aufgeführte ärztliche Leistungen entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Soweit die Kammer in einer früheren Entscheidung angenommen hat, dass es dabei darauf ankommen soll, ob für diese ärztlichen Leistungen von der Bundesärztekammer Analogbewertungen empfohlen bzw. beschlossen wurden (Berufsgericht für Heilberufe Berlin, Urteil vom 21. September 2016 – 90 K 2.15 T –juris Rn. 34), hält sie an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Die Empfehlungen von Berufsverbänden oder der Bundesärztekammer sind nicht verbindlich, wenngleich eine faktische Befolgung entsprechender Vorschläge in der Praxis nicht verkannt werden sollte (Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, GOÄ § 6 Rn. 4; vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 5. April 2018 – 11 U 37/17 – juris Rn. 19).

Der Begriff der Gleichwertigkeit der gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ entsprechend abgerechneten Leistung lässt sich dahingehend präzisieren, dass die analog herangezogene Leistung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand der tatsächlich erbrachten Leistung entsprechen muss. Abzustellen ist auf den Wert (Gleichwertigkeit) der Leistung. Ansatzpunkt für den Vergleich sind die wesentlichen Ausführungselemente der Leistungen. Neben diesen Merkmalen ist insbesondere aber auch die „innere Gleichwertigkeit“ von Bedeutung, die sich aus einem Vergleich des Zeitaufwandes und damit auch der Schwierigkeit der Leistungen ergibt. Außerdem ist darauf zu achten, dass die Honorarrelationen stimmen, wobei auch der Kostenaufwand bei der Leistungserbringung bedeutsam ist (LG Saarbrücken, Urteil vom 06. Februar 2017 – 16 O 282/14 – juris Rn. 17).

Soweit die Anwendung von Vergütungsregelungen von komplexen medizinischen und juristischen Bewertungen abhängig ist, liegt allerdings eine Berufspflichtverletzung nicht schon dann vor, wenn sich eine jedenfalls im Ansatz vertretbare Bewertung durch den Arzt im Nachhinein als unzutreffend herausstellt. Nicht jede Abweichung von den Abrechnungsvorschriften der GOÄ stellt demnach bereits einen Verstoß gegen dem Arzt obliegende Berufspflichten dar; vielmehr ist erst eine vorsätzlich fehlerhaft vorgenommene oder sich offensichtlich außerhalb jeder vertretbaren rechtlichen Meinung befindende Abrechnungspraxis geeignet, auf einen ahndungswürdigen Berufspflichtverstoß zu führen. Es ist nicht Sinn des berufsgerichtlichen Verfahrens, bei differierenden rechtlichen Bewertungen einer Gebührenforderung inzident über die zivilrechtliche Berechtigung der Gebührenforderung zu entscheiden und einen Berufsverstoß schon immer dann anzunehmen, wenn sich eine Rechnungsstellung im Nachhinein als unzutreffend erweist. Auch wenn der Arzt berufsrechtlich zur gewissenhaften Berufsausübung verpflichtet ist und in diesem Zusammenhang nur angemessene und auch im Übrigen den Anforderungen der GOÄ entsprechende Honorarforderungen stellen darf, ist ein Streit über die Berechtigung dieser Forderung vornehmlich im Innenverhältnis zwischen Arzt und Patient zu regeln. Jede andere Betrachtungsweise würde den Arzt bei Analogbewertungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ oder bei in der Rechtsanwendung im Einzelfall umstrittenen Gebührenansätzen dem Risiko aussetzen, nach einer etwaigen zivilgerichtlichen Feststellung zu seinen Lasten auch noch mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt zu werden (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Urteil vom 20. April 2016 – 6t A 2817/13.T – juris Rn. 55).

Nach der Einlassung des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung lässt es sich ausschließen, dass er in der Weise gewissenhaft vorgegangen ist, dass er bei dem Patienten Art und Kosten der von ihm erbrachten Leistungen in Relation zu den angeführten Ziffern des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ gesetzt hat. Insbesondere kann entgegen seiner Einschätzung nicht jede telefonische Handlungsanweisung als Schulung im Sinne der angesetzten Leistungsziffern verstanden werden.

Wie bereits angesprochen erfordert Ziffer 30 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ eine Erhebung der homöopathischen Erstanamnese mit einer Mindestdauer von einer Stunde nach biographischen und homöopathischindividuellen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung einer homöopathischen Behandlung -einschließlich homöopathischer Repertorisation und Gewichtung der charakteristischen psychischen, allgemeinen und lokalen Zeichen und Symptome des jeweiligen Krankheitsfalls, unter Berücksichtigung der Modalitäten, Alternanzen, Kausal- und Begleitsymptome, zur Auffindung des homöopathischen Einzelmittels, einschließlich Anwendung und Auswertung standardisierter Fragebogen. Eine analoge Anwendung dieser Leistungsziffer wird anerkannt für die Erhebung einer schmerztherapeutischen Erstanamnese bei chronisch Schmerzkranken durch entsprechend qualifizierte Ärzte, wenn die betreffende Anamneseleistung im Regelfall mindestens eine Stunde dauert (AG Kiel, Urteil vom 12. März 2015 – 115 C 469/14 – juris Rn. 9; Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 30, Rn. 2). Die Anwendung dieser Leistungsziffer für jede einstündige Anamnese wird hingegen abgelehnt (Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 30, Rn. 2). Entsprechendes gilt für die Ziffer 31 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ, die eine homöopathische Folgeanamnese mit einer Mindestdauer von 30 Minuten unter laufender Behandlung nach den Regeln der Einzelmittelhomöopathie zur Beurteilung des Verlaufs und Feststellung des weiteren Vorgehens - einschließlich schriftlicher Aufzeichnungen - erfordert (Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 31, Rn. 1).

Nach den vorliegenden Patientenunterlagen lässt es sich mit Blick auf die verwendeten Fragebögen zugunsten des Beschuldigten nicht ausschließen, dass bei dem Patienten eine analoge Anwendung der Ziffern 30 und/oder 31 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ in Betracht kommen könnte. Für die Patienten und geben die Patientenunterlagen dies allerdings nicht her.

Ziffer 33 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ ist definiert als eine strukturierte Schulung einer Einzelperson mit einer Mindestdauer von 20 Minuten (bei Diabetes, Gestationsdiabetes oder Zustand nach Pankreatektomie) - einschließlich Evaluation zur Qualitätssicherung unter diabetologischen Gesichtspunkten zum Erlernen und Umsetzen des Behandlungsmanagements, einschließlich der Auswertung eines standardisierten Fragebogens. Insoweit ist eine analoge Anwendung anerkannt, wenn in Bezug auf das Behandlungsmanagement bei anderen Krankheiten ein evaluiertes Programm zur strukturierten Einzelschulung verfügbar ist, wie dies bei Hypertonie und Asthma bronchiale der Fall ist (Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 31, Rn. 1).

Insoweit ergeben sich aus den Behandlungsunterlagen der Patienten und keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Gebührenziffern vorliegen könnten. Vielmehr soll es sich auch bezogen auf den Patienten nach der Einlassung des Beschuldigten im Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 um die Abrechnung eines Telefongesprächs handelt, bei dem die Anwendung der Leistungsziffern 30, 31 und 33 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ ausgeschlossen ist (Brück, Standardkommentar zur GOÄ, Band 1, 3. Auflage, 35. Ergänzungslieferung, Stand 1. Juli 2018, Nr. 31, Rn. 9).

Hinsichtlich der danach erwiesenen Vorwürfe handelte der Beschuldigte schuldhaft. Ihm ist bei der Verletzung seiner Berufspflichten zum Teil Vorsatz und im Übrigen zumindest Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Liegt eine fehlerhafte Abrechnung vor, so folgt daraus noch nicht ohne weiteres, dass diese als Berufsrechtsverstoß zu ahnden ist. Die nach § 12 Abs. 1 BO geltende Pflicht zur Abrechnung (nur) „angemessener“ Honorarforderungen ist nicht bereits bei jedem Abrechnungsfehler verletzt, sondern erst dann, wenn dieser Fehler aus einer nachlässigen Handhabung der GOÄ-​Bestimmungen hervorgeht und geeignet ist, das Vertrauen zwischen Arzt und Patient oder das Ansehen des Arztberufs zu gefährden, weil sie eine „Honorarmehrungsabsicht“ zum Ausdruck bringt. Eine berufsrechtliche Sanktion ist - insbesondere - veranlasst, wenn das inkriminierte Abrechnungsverhalten nicht dem Standard entspricht, der nach der GOÄ und deren Anwendungspraxis in der Ärzteschaft allgemein gilt oder erwartet werden kann. Soweit die Anwendung der GOÄ-​Bestimmungen zu rechtlichen Zweifelsfragen führt, kann einem Arzt eine Abrechnung nur dann vorgeworfen werden, wenn sie einer gefestigten, auch durch die Rechtsprechung geklärten Abrechnungspraxis widerspricht. Berufsrechtliche Sanktionen bleiben, wenn es um solche Zweifelsfragen geht, ein letztes Mittel und auf wirklich gravierende Fälle beschränkt, in denen klar ist, dass andere Berufsangehörige in einer vergleichbaren Situation in ihrer großen Mehrheit anders gehandelt hätten. Die Klärung honorarrechtlicher Ansprüche ist vorrangig dem Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Kostenträger (gesetzliche Versicherung oder Privatpatient) zuzuweisen (Berufsgerichtshof für die Heilberufe Schleswig, Urteil vom 16. März 2016 – 30 LB 2/15 BG II – juris Rn. 43). Davon ausgehend ist dem Beschuldigten jedenfalls vorzuwerfen, dass er überwiegend und vorsätzlich Leistungen unter Heranziehung von Ziffern der GOÄ abgerechnet hat, deren Voraussetzungen nicht vorlagen, und dass er teilweise zudem Leistungen berechnet hat, die er gar nicht erbracht hat bzw. auch nicht analog nicht abrechnen durfte.

Die weiteren Vorwürfe fallen nicht ins Gewicht bzw. lassen sich nicht erweisen. Die Kammer macht daher entsprechend der Ankündigung in der mündlichen Verhandlung von der durch § 24 des Berliner Kammergesetzes i. V. m. § 41 DiszG, § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 56 Satz 1 BDG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, das berufsgerichtliche Verfahren zu beschränken. Danach werden die in der Anschuldigungsschrift vorgeworfenen Handlungen zu 1. und 4. ausgeschieden, weil sie für die Art und die Höhe der berufsgerichtlichen Maßnahme nicht ins Gewicht fallen. Das Gleiche gilt für den Vorwurf unter Ziffer 2, nicht erbrachte Leistungen abgerechnet zu haben, soweit sich dies nicht nach den folgenden Ausführungen eindeutig aus den Patientenunterlagen ergibt, und den Vorwurf unter der Ziffer 3, nicht die richtige Leistungsziffer bei der analogen Abrechnung verwendet zu haben.

Auch der Vorwurf der Einleitungsbehörde, der Beschuldigte habe für die Leistung der „Bioelektrischen Impedanzanalyse“ jeweils eine Gebührenposition nach GOÄ mit anderem Leistungsinhalt angesetzt, ohne dass die Voraussetzungen für den entsprechenden Ansatz dieser Gebührenposition nach GOÄ für die „Bioelektrische Impedanzanalyse“ erfüllt gewesen seien, ist von vergleichsweise geringen Gewicht. Bei den Abrechnungen gegenüber den Patienten und hat der Beschuldigte durch den Zusatz „BIA“ bei der Ziffer 651 jedenfalls andeutungsweise zum Ausdruck gebracht, dass die Rechnungen keine Leistungen betreffen, die sich dieser Leistungsziffer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ unmittelbar zuordnen lassen. Die Einleitungsbehörde geht selbst davon aus, dass es sich bei der „Bioelektrischen Impedanzanalyse“ um eine ärztliche Leistung handelt, die nach der GOÄ analog abgerechnet werden kann. Auch wenn viel dafür sprechen mag, dass nach der Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 4. Juli 2013 die analoge Anwendung der Leistungsziffern 831 oder 643 für diese Leistungen naheliegender ist, kann dieser Vorwurf für die Art und Höhe der berufsgerichtlichen Maßnahme nicht ins Gewicht fallen.

Bei Auswahl und Bemessung der berufsgerichtlichen Maßnahme ist grundsätzlich das Gewicht der festgestellten Berufspflichtverletzung, die Persönlichkeit des Beschuldigten, das Ausmaß seiner Schuld, berufsrechtliche Vorbelastungen, aber auch die Notwendigkeit zu berücksichtigen, das Ansehen der Angehörigen des Berufsstandes zu wahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit eines Arztes zu sichern, um so die Funktionsfähigkeit des ärztlichen Berufsstandes zu gewährleisten (OVG Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 10. Januar 2013 - OVG 90 H 1.11 – S. 17 des Urteilsabdrucks). Bei der Schwere der Berufspflichtverletzung spielt auch eine Rolle, ob der Kern der ärztlichen Tätigkeit betroffen ist; zu den die Schuld und die Persönlichkeit beeinflussenden Faktoren gehören der Grad des Verschuldens und die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten sowie die Zahl der Pflichtverletzungen. Das ärztliche Berufsrecht ist als Teil des staatlichen Disziplinarrechts nicht repressiv und damit tatbezogen. Vielmehr ist vorrangig das Gesamtverhalten und die Gesamtpersönlichkeit des Beschuldigten im Hinblick auf die sich aus dem gezeigten Verhalten ergebenden Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Berufsausübung zu würdigen; dabei steht die individuelle Pflichtenmahnung im Vordergrund. Neben dem Gewicht des Berufsvergehens ist dabei die Prognose des künftigen Verhaltens des Beschuldigten und hierbei die Frage entscheidend, in welchem Umfang es einer pflichtenmahnenden Einwirkung bedarf, um ein berufs-​rechtliches Fehlverhalten zukünftig zu unterlassen (OVG Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 10. Januar 2013 - OVG 90 H 1.11 – S. 17 f. des Urteilsabdrucks).

Grundsätzlich kommen nach § 17 Abs. 1 KammerG in abgestufter Form und teilweise gemäß § 17 Abs. 2 KammerG auch kumulativ eine Warnung (1.), ein Verweis (2.), eine Geldbuße bis zu 50.000,- Euro (3.), die Entziehung des aktiven und passiven Kammerwahlrechts (4.) und die Feststellung, dass der Beschuldigte unwürdig ist, seinen Beruf auszuüben (5.), als Sanktionen in Frage.

Die von der Einleitungsbehörde angestrebte mittlere Sanktion einer Geldbuße ist unter den oben dargestellten Voraussetzungen angemessen. Der Beschuldigte hat sich durch wiederholte gleichartige Handlungen einer Berufspflichtverletzung schuldig gemacht. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck ist der Beschuldigte jedenfalls teilweise zu der Einsicht gelangt, dass er sich falsch verhalten hat. Zu seinen Gunsten geht die Kammer davon aus, dass er die Patienten mit erheblichem Zeitaufwand behandelt hat, und sie berücksichtigt, dass der Streit über Honorarforderungen im Kern eine zivilrechtliche Angelegenheit zwischen Arzt und Patienten ist. Allerdings fällt zu Lasten des Beschuldigten dabei ins Gewicht, dass er durch die Verwendung von falschen Leistungsziffern den Patienten die Möglichkeit eröffnet, bei Krankenversicherungen oder Beihilfestellen Erstattungsansprüche für Leistungen geltend zu machen, die bei der Offenlegung einer analogen Abrechnung nicht oder nicht in dieser Höhe erstattet würden, und damit den Patienten die Möglichkeit eröffnet hat, einen Abrechnungsbetrug zu begehen.

Bei der Bemessung der Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 KammerG die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen. Dazu liegen allerdings keine verlässlichen Erkenntnisse vor. Der Beschuldigte hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich insoweit nicht zu äußern. Das Berufsgericht geht daher von einem durchschnittlichen Einkommen aus, das die insoweit sachverständigen ärztlichen Mitglieder der Kammer auf rund 10.000 Euro monatlich schätzen. Dieser Betrag kommt angesichts des Fehlverhaltens des Beschuldigten auch als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen in Betracht.

Mit Rücksicht auf die überlange Dauer des Verfahrens, das sich auf Rechnungen aus dem Jahre 2012 bezieht, und die Beeinträchtigungen, denen der Beschuldigte durch das Strafverfahren und insbesondere die Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgesetzt war, erscheint es angemessen, diesen Betrag auf 3.000 Euro zu reduzieren. Dabei hat die Kammer mit einbezogen, dass auch das vorliegende Verfahren selbst geeignet war, auf den Beschuldigten einzuwirken. Entgegen der Auffassung des Beschuldigten kann allerdings nicht angenommen werden, dass bereits das strafgerichtliche Verfahren ihm hinreichend zur Warnung gedient hat und daher kein Bedürfnis mehr für eine Ahndung im berufsgerichtlichen Verfahren besteht. Zunächst zeigt bereits das Vorbringen des Beschuldigten in dem vorliegenden Verfahren, dass er sich durch den Ausgang des strafgerichtlichen Verfahrens in seinem Verhalten bestätigt sah. Schon aus diesem Grund besteht das Bedürfnis für eine zusätzliche Pflichtenmahnung. Darüber hinaus erfasste das strafgerichtliche Verfahren nach dem Inhalt der Anklageschrift vom 22. November 2016 nur einen Teil der Vorwürfe, die die Einleitungsbehörde dem Beschuldigten als Abrechnung von ärztlichen Leistungen, die er nicht erbracht hat bzw. nicht erstattungsfähige Reisekosten vorhält. Insbesondere wird dort auch die Möglichkeit, ärztliche Leistungen analog der GOÄ abzurechnen, noch nicht einmal ansatzweise problematisiert, sodass auch hinsichtlich des Fehlverhaltens des Beschuldigten bei dieser Abrechnungsmethode das Bedürfnis für eine berufsgerichtliche Maßnahme weiter besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 Berliner Kammergesetz i.V.m. §§ 3, 41 DiszG, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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